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Der Pakt

Der Pakt

Titel: Der Pakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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der Vereinigten Staaten zu behandeln seien, denn es dauerte nicht lange, bis eine hitzige Diskussion im Gang war. Ich hielt mich heraus. Nicht, weil ich etwas gegen politische Diskussionen hatte, sondern weil mir in dieser konkreten Diskussion etwas Persönliches mitzuschwingen schien. Etwas, das sich nicht ausschließlich damit erklären ließ, dass John Weitz nun einmal ein Kotzbrocken war.
    »Ich kann mich nicht damit abfinden, dass der Präsident Stalin die Hand schütteln will«, gestand Weitz.
    »Warum zum Teufel sollte der Präsident Stalin nicht die Hand schütteln?«, fragte Schmidt. »Die Russen sind unsere Verbündeten, Herrgott nochmal. Das tut man nun mal, wenn man ein Bündnis geschlossen hat. Man besiegelt es mit einem Handschlag.«
    »Und es stört Sie gar nicht, dass Stalin das Todesurteil für zehntausend polnische Offiziere unterschrieben hat? Feiner Verbündeter.« Weitz zündete sich die Pfeife wieder an, doch ehe der immer noch verkaterte Schmidt antworten konnte, fuhr er fort: »Feiner Verbündeter, der einen Separatfrieden mit den Deutschen zu schließen versucht. Das ist doch der einzige Grund, weshalb es bisher noch keinen Gipfel der Großen Drei gegeben hat.«
    »Unsinn.« Schmidt rieb sich grimmig die Augen.
    »Ach ja? Die russische Botschafterin in Stockholm, Madame de Kollontay, schläft doch praktisch mit Ribbentrops Gesandtem Peter Kleist, schon seit Anfang des Jahres.«
    Schmidt sah Weitz verächtlich an. »Quatsch.«
    »Ich glaube, Sie verstehen die russische Mentalität überhaupt nicht«, fuhr Weitz fort. »Vergessen wir doch nicht, dass die Iwans schon zweimal einen Separatfrieden mit Deutschland geschlossen haben. Einmal 1918 und einmal 1939.«
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    »Das mag ja sein«, sagte Schmidt, »aber jetzt ist doch alles anders. Die Russen haben allen Grund, uns zu trauen.«
    »Hey, ich sage ja nicht, dass sie uns nicht trauen können«, sagte Weitz lachend. »Die Frage ist doch: Können wir ihnen trauen?«
    »Wir haben Stalin 1942 eine zweite Front versprochen und dann noch einmal 1943. Und nun schauen Sie doch, wie weit wir damit gekommen sind. Vor dem nächsten August wird es keine zweite Front geben. Wie viele Soldaten der Roten Armee werden bis dahin noch sterben? Man kann es Stalin doch nicht verübeln, wenn er den Eindruck hat, dass er diesen Krieg allein führt.«
    »Ein Grund mehr für ihn, einen Separatfrieden anzustreben«, insistierte Weitz. »Ist doch schwer vorstellbar, dass irgendein Land solche Verluste hinnehmen muss und immer noch weiterkämpfen will.«
    »Ich würde Ihnen ja Recht geben, wenn die Entschlossenheit der Roten Armee nachgelassen hätte. Hat sie aber nicht.«
    Während die beiden noch stritten, war mir bereits ein viel besserer Grund eingefallen, warum Stalin geneigt sein könnte, Friedensverhandlungen zu führen: Was er am meisten fürchtete, waren nicht die Deutschen, sondern die Russen selbst. Er musste schreckliche Angst haben, dass seine Armee wegen der entsetzlichen Bedingungen und der hohen Opferzahlen meutern würde wie schon 1917. Stalin wusste, er saß auf einem Pulverfass. Jedoch welche Wahl blieb ihm?
    Aber John Weitz konnte die Sowjetunion nur als potenziellen Aggressor sehen. »Sie werden schon sehen«, sagte er. »Stalin kommt zu dieser Konferenz mit einer Einkaufsliste, auf der all die Länder stehen, von denen er denkt, dass er sie besetzen kann, ohne dass ein Schuss fällt. Und Polen steht ganz oben auf dieser Liste. Wenn er der Meinung wäre, Hitler könnte sich auf diese Forderungen einlassen, glauben Sie mir, dann würde er 244

    einen Deal mit ihm machen, noch während er FDR die Hand schüttelt. Wenn Sie mich fragen, sollten wir sie alle beide ausbluten lassen. Sollen die Nazis und die Kommunisten sich doch gegenseitig umbringen, und dann gehen wir hin und sammeln die Reste ein.«
    Die Diskussion war inzwischen ausgesprochen grimmig geworden. Und ausgesprochen persönlich.
    »Verdammt, es ist doch kein Wunder, dass die Russen uns nicht trauen, wenn da falsche Fuffziger wie Sie rumlaufen«, brüllte Schmidt.
    »Lieber ein falscher Fuffziger als der Apologet eines Mörderschweins, wie es dieser Stalin ist. Wer weiß? Vielleicht sind Sie ja noch mehr als das, Ted. Sie wären nicht der erste
    ›Mitreisende‹ im Außenministerium.«
    Schmidt erhob sich abrupt, die Fäuste geballt, das weiche, glatt rasierte Gesicht vor Wut zitternd. Ich dachte, er würde Weitz schlagen und ich und die beiden Messeordonnanzen müssten

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