Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Patient

Titel: Der Patient Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
Vom Netzwerk:
weiterer Tag durchgestrichen, als ihm das Offensichtliche zu Bewusstsein kam: Rumpelstilzchen hatte sich zwischen dem Eintreffen der Zeitung im Haus und ihrer Auslieferung an seiner Wohnungstür Zugang zu dem Blatt verschafft. Seine Hand schoss ans Telefon, und in kürzester Zeit hatte er die Nummer des Zustelldienstes herausbekommen. Es tutete zweimal, bevor sich eine automatische Wähleinrichtung meldete:
    »Neue Abonnenten drücken bitte die Eins. Beschwerden über eine ausgebliebene oder fehlerhafte Zustellung, bitte die Drei.«
    Keine dieser Optionen traf auf sein Anliegen zu, doch er ging davon aus, dass eine Beschwerde einen Menschen aus Fleisch und Blut ans Telefon brachte, und so versuchte er es mit der Drei. Es klingelte, dann meldete sich eine Frau:
    »Welche Anschrift, bitte?«, fragte sie, ohne sich vorzustellen. Ricky zögerte und nannte dann seine Adresse.
    »Bei uns sind alle Zustellungen an diese Adresse ausgewiesen«, sagte sie.
    »Ja«, sagte Ricky. »Ich habe die Zeitung auch bekommen, aber ich wüsste gerne, wer sie ausgeliefert hat …«
    »Wo liegt das Problem, Sir? Sie wünschen keine zweite Auslieferung?«
    »Nein …«
    »Diese Nummer ist für Leute, die ihre Zeitung nicht bekommen haben.«
    »Das ist mir klar«, sagte er und wurde ein wenig gereizt.
    »Aber hier gab es trotzdem ein Problem mit der Auslieferung …«
    »Sie wurden nicht pünktlich beliefert?«
    »Nein, das heißt, doch, schon …«
    »Hat der Zustelldienst zu viel Lärm gemacht?«
    »Nein.«
    »Diese Leitung ist für Leute, die sich über ihre Zustellung beschweren wollen.«
    »Ja, das sagten Sie bereits, das heißt, so in etwa, und ich verstehe …«
    »Nennen Sie mir Ihr Problem, Sir.«
    Ricky hielt inne und versuchte, eine gemeinsame Sprache zu finden, mit der er und die junge Frau am Telefon sich verständigen konnten. »Meine Zeitung wurde verunstaltet«, platzte er heraus.
    »Meinen Sie, sie war zerfetzt oder nass oder unleserlich?«
    »Ich meine, dass sich jemand daran zu schaffen gemacht hat.«
    »Manchmal kommen Zeitungen mit falschen Seitenzahlen oder falsch gefaltet aus der Presse, geht es um so etwas?«
    »Nein«, sagte Ricky und legte allmählich seinen apologetischen Ton ab. »Was ich sagen will, ist, dass jemand etwas darauf geschrieben hat, und zwar in einer Anstoß erregenden Ausdrucksweise.«
    Die Frau schwieg. »Das hatten wir noch nicht«, sagte sie langsam. Diese Reaktion verlieh der körperlosen Stimme etwas Menschliches.
    Ricky entschied sich für einen indirekten Vorstoß. Er sprach schnell und aggressiv. »Sind Sie zufällig Jüdin, Miss? Wie würden Sie es dann finden, eine Zeitung zu bekommen, auf die jemand ein Hakenkreuz gekritzelt hat? Oder sind Sie Puertoricanerin? Wie würde es Ihnen dann gefallen, wenn jemand ›Geh doch zurück nach San Juan!‹ draufschmiert? Oder sind Sie Afroamerikanerin? In dem Fall kennen Sie zweifellos das Wort, das rückwärts Regen erzeugt, nicht wahr?« Die Angestellte sagte nichts, als hätte sie Mühe, mitzukommen.
    »Jemand hat ein Hakenkreuz auf Ihre Zeitung gemalt?«, fragte sie.
    »Etwas in der Art«, sagte Ricky. »Deshalb muss ich mit den Leuten reden, die sie ausgeliefert haben.«
    »Ich denke, da sprechen Sie am besten mit meinem Vorgesetzten.«
    »Gerne«, erwiderte Ricky. »Aber zuerst brauch ich den Namen und die Telefonnummer der Person, die für die Auslieferung in meinem Gebäude zuständig ist.«
    Die Frau sagte wieder eine Weile nichts, und Ricky hörte, wie sie in irgendwelchen Papieren wühlte, danach ertönte das Klicken einer Tastatur im Hintergrund. Als sie sich wieder meldete, las sie den Namen eines Zustellbezirksleiters sowie eines Fahrers vor, beide Telefonnummern und Adressen.
    »Ich möchte Sie bitten, mit meinem Vorgesetzten zu reden«, sagte sie, nachdem sie ihm die Informationen durchgegeben hatte.
    »Er soll mich anrufen«, erwiderte Ricky, bevor er auflegte. Binnen Sekunden rief er die Nummer an, die sie ihm mitgeteilt hatte. Eine andere Frau meldete sich.
    »Direktion Zustelldienst.«
    »Verbinden Sie mich bitte mit Mr. Ortiz«, sagte er in höflichem Ton.
    »Ortiz ist draußen am Ladeplatz. Worum geht es, bitte?«
    »Ein Zustellproblem.«
    »Haben Sie schon bei der Lieferabteilung angerufen?«
    »Ja, so bin ich an diese Nummer gekommen, und an seinen Namen.«
    »Um was für ein Problem geht’s denn?«
    »Wie wär’s, wenn ich das mit Mr. Ortiz besprechen könnte?« Die Frau zögerte. »Vielleicht hat er schon Feierabend

Weitere Kostenlose Bücher