Der Pfeil der Rache
Mundwinkel wiesen nach unten. Er blickte zu mir auf, einen entsetzlichen Überdruss in den Augen.
»Mein Beileid«, sagte ich leise.
Er nickte fast unmerklich. Im schwindenden Licht waren seine Narben kaum zu sehen, er sah jungenhaft gut aus, dabei aber umso verletzlicher. »Danke«, sagte er, »aber Ihr solltet wissen, dass ich keinerlei Gefühle hegte für Mistress Hobbey. Ich dachte, es hätte sich geändert, aber dem ist nicht so.«
»Ihr habt ihr heute Morgen eine Blume in den Schoß gelegt.«
»Ja. Da tat sie mir leid.«
Ich sagte ruhig: »Ihr habt etwas gesagt, als wir dazukamen.« Ich sah ihm in die Augen. »Es klang wie ›Geschieht dir ganz recht‹.«
Er schwieg eine Weile, ehe er sagte: »Gott vergebe mir, das kann schon sein.« Er starrte ins Leere.
»Warum?«
Er redete sehr leise. »Als wir sie kennenlernten, wollte sie mich wohl auf ihre Art bemuttern, vor allem meine Schwester. Aber sowohl für sie wie auch für Master Hobbey kam als Erstes stets –« seine Stimme geriet kurz ins Stocken – »stets das Geld. Sie wollten das Nutzungsrecht für unser Land, außerdem versuchten sie Emma zu einer Ehe mit David zu bewegen, wie ich es Euch erzählt habe. Als ich Mistress Hobbey tot sah, empfand ich einerseits Mitleid für sie, andererseits auch Zorn. Also sprach ich diese Worte zu ihr.«
»Habt Ihr schon einmal einen Toten gesehen?«
»O ja. Meine Mutter und meinen Vater. Meine Schwester durfte ich nicht sehen – ihr Gesicht war von den Blattern zerstört. Ich wünschte, sie hätten mich zu ihr gelassen.« Er sah mich an. »Werdet Ihr dem Coroner verraten, was ich zu Abigail sagte?«
»Sagt es ihm selbst, Hugh. Schildert ihm, was Ihr für Abigail empfunden habt.«
Er sah mich forschend an. Und ich fragte mich, ob er, wie Hobbey, an all das Unglück dachte, das seit meiner Ankunft hier über die Familie gekommen war.
Ich fragte ihn: »Wer hat Mistress Hobbey getötet, was meint Ihr?«
»Ich habe keine Ahnung.« Er runzelte die Stirn. »Glaubt Ihr, ich sei es gewesen?«
Ich schüttelte den Kopf. »Ich weiß es ebenso wenig wie Ihr, Hugh.« Ich blickte hinüber zum Friedhof. Ursula hatte wieder einen Strauß Blumen am Grab der Nonne abgelegt.
»Doch Ihr habt meine Worte gehört und mich verdächtigt?« Hughs Gesicht wurde rot vor Zorn, so dass seine Narben deutlich zutage traten.
»Ich habe mich lediglich gefragt, Hugh, was Ihr gemeint haben könntet.«
»Ich hielt Euch für einen Freund.« Er war aufgesprungen, die Fäuste geballt. Er war ebenso groß wie ich und zudem kräftiger.
»Ich beschuldige niemanden, Hugh. Doch habe ich von Anfang an gespürt, dass diese ganze Familie etwas verbirgt. Zum Beispiel Davids Krankheit.«
»Ihr irrt Euch«, sagte er.
»Ich bin heute mit Edward Priddis über Euer Land geritten. Ich glaube, Master Hobbey hat seine Bücher gefälscht. Wahrscheinlich im Einvernehmen mit Sir Quintin. Ich glaube, sie haben Euch um etliche hundert Pfund betrogen.«
Ein Ausdruck von Verachtung huschte ihm übers Gesicht. »Wann werdet Ihr einsehen, Sir, dass mir das einerlei ist? Und jetzt, Master Shardlake, lasst mich bitte allein.«
* * *
Unterwegs sahen wir wieder Versorgungswagen gen Süden ziehen; sie hatten alles geladen, vom Zimmermannswerkzeug bis hin zu Piken und Helmen. Wir zügelten die Pferde, um eine weitere Kompanie Bogenschützen passieren zu lassen. Ich fragte mich, wie es Leacons Truppe ergehen mochte, ob sie schon an Bord der Schiffe war.
Gegen Mittag bogen wir auf die Straße nach Sussex. Wir kehrten in dem Wirtshaus ein, in dem ich bei meinem ersten Ritt Rast gemacht hatte. »Ihr seid so still«, sagte Barak beim Bier, »habt diesen abwesenden Blick, wie immer, wenn etwas an Euch nagt.«
»Ich muss daran denken, dass ich wenig bewirkt habe, seit ich nach Hoyland gekommen bin, ich habe mir nur Feinde gemacht.« Ich erzählte ihm von meinem Gespräch mit Hugh und dass Hobbey in mir seine Nemesis sah, die Göttin der ausgleichenden Gerechtigkeit. »So kam ich auf den Gedanken, dass Abigail noch leben könnte, wenn ich nicht wäre.«
»Diesen Leuten musste früher oder später etwas zustoßen. Sie sind doch allesamt so verrückt wie ein Haufen Frösche.«
»Wer hat Abigail getötet, Jack? Hobbey hat recht – niemand mochte sie leiden – aber wer war ihr
Mörder
?«
»Sie hängen es Ettis an, wenn sie können.«
»Das meine ich auch. Dyrick scheint nur diese eine Möglichkeit in Betracht zu ziehen. Aber er hat keine Beweise.«
»Auf dem Land
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