Der Pfeil der Rache
leid, aber sie wollten mich nur beschützen –«
»Ich verstehe schon, Wilf.«
»Was gibt es Neues von den Franzosen?«, fragte Seckford.
»Es heißt, sie segeln über den Kanal in Richtung Portsmouth.«
»Gott steh uns bei. Bitte setzt Euch.«
Wir ließen uns dankbar auf der Sitzbank nieder, wirbelten dabei Staubwölkchen auf. »Etwas zu trinken, meine Herren?«, fragte Seckford und griff nach dem Krug auf der Anrichte.
»Ja, bitte«, antwortete Barak. »Wir sind am Verdursten.«
Seckford goss uns zwei Becher voll Bier, wobei seine Hände noch mehr zitterten als beim letzten Mal. Er brachte sie herüber und sank dann auf den Stuhl nieder. Wilf warf einen Blick auf den Kurat, der sich zu uns vorbeugte. In seinem leicht angetrunkenen Zustand gewann Seckford eine ungewohnte Schärfe und Autorität.
»Nach Eurem Besuch, Master Shardlake, lief Master Buttress von Tür zu Tür, um herauszufinden, wer Euch von dem Brand erzählt hatte. So erfuhr er, dass Ihr mit mir gesprochen hattet, und kam fuchsteufelswild hier herauf. Ihr wolltet sein Eigentumsrecht an dem Haus anzweifeln, behauptete er.«
»Ach woher! Ich sagte ihm nur, dass Ihr mir die alte Geschichte erzählt hättet. Es tut mir leid, ich hätte es Euch sagen müssen.« Ich wandte mich an Wilf. »Dass ich mit Euch gesprochen hatte, sagte ich ihm nicht.«
»Er kam trotzdem ins Wirtshaus und fragte mich aus. Er kennt meine Einstellung. Ich vermute noch heute, dass Priddis bei dem damaligen Ermittlungsverfahren etwas unter den Tisch kehrte. Ich sagte, ich hätte nicht mit Euch gesprochen. Aber mir wurde ganz mulmig zumute, Sir.«
Seckford fügte hinzu: »Master Buttress ist ein harter Mann und mächtig dazu. Vergebt mir, Sir, aber ich muss es wissen. Eure Erkundigungen über die Familie Fettiplace, habt Ihr sie wirklich für einen Mandanten eingezogen, der nach Anverwandten sucht?«
Ich holte tief Luft. »Nein. Verzeiht, dass ich Euch in die Irre geführt habe, aber ich versuche, herauszufinden, was Ellen Fettiplace zugestoßen ist, aus – aus persönlichen Gründen.«
»Ihr habt die Unwahrheit gesagt, Sir.«
»So ist es. Es tut mir leid.«
»Ihr handelt für niemanden sonst? Für Priddis zum Beispiel?«
»Nein, mein Wort darauf. Für niemanden. Ich darf Euch nicht mehr sagen, aber lasst mich auf die Bibel schwören, dass meine Beweggründe rein persönlicher Natur sind. Ich mache mir Sorgen. In London bin ich auf eine Information gestoßen, die den Schluss nahelegt, dass bei dem Untersuchungsverfahren damals in der Tat etwas vertuscht wurde. Aber ich weiß nicht, was es war. Mehr will ich nicht verraten, denn es ist vielleicht gefährlich. Schnell, Sir, holt Eure Bibel her, damit ich den Schwur leisten kann.«
»Es steckt mehr dahinter, ich wusste es gleich!«, sagte Wilf.
»Und ich wusste gleich, dass Master Shardlake ein Ehrenmann ist. Ich glaube Euch auch so, Sir, ohne den Schwur.« Seckford sah Wilf an und faltete die Hände. »Ihr seid Anwalt, Sir. Gehe ich recht in der Annahme, dass Ihr Wilf als Euren Mandanten annehmen und ihm bezüglich eines bestimmten Problems einen Rat erteilen könntet und dann an ein Schweigegelübde gebunden wäret, so wie ich an das Beichtgeheimnis?«
»Ja, das ist wahr.« Ich sah Wilf an. »Aber diese Angelegenheit – wenn sie denn etwas mit der Frage zu tun hat, wer das Feuer in der Eisenhütte gelegt hat, könnte ich sie nicht geheim halten.«
»Hat sie nicht.« Wilf schüttelte energisch den Kopf. »Es geht um etwas, das ich gefunden habe.«
Seckford fügte hinzu: »Es betrifft die Umstände, unter denen Wilf die Entdeckung machte.«
»Dann will ich mein Bestes tun.«
Seckford sagte: »Damit ein Anwalt einem Mandanten verpflichtet ist, muss meines Wissens doch Geld den Besitzer wechseln.«
»Das ist nicht zwingend nötig. Ich kann auch
pro bono
handeln, zum Wohle der Allgemeinheit.«
»Ich verlasse mich lieber auf Geld«, sagte Wilf mit Nachdruck. »Master Seckford, Ihr seid mein Zeuge.« Er langte in den Beutel an seinem Gürtel und holte eine alte Sixpence-Münze heraus, aus echtem Silber. »Ist das genug?«, fragte er.
Ich zögerte, nahm aber dann die Münze entgegen. »So, Wilf, jetzt seid Ihr mein Mandant. Und ich bin dem Gesetze nach verpflichtet, niemandem zu verraten, was Ihr mir erzählt, niemandem.«
Wilf holte tief Luft, beugte sich hinunter und tätschelte den großen Hund. »In dieser Jahreszeit gehen mein Caesar hier und ich in den Wald und suchen nach Trüffeln. Der Wald und alles, was
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