Der Pilot von der Donau
hatte.
Wenn die Leute auf der Waldblöße das gewußt hätten, würden sie sich wohl noch ernster beunruhigt haben. Wie der Leser weiß, hielt ihr Chef aber den gefürchteten Polizisten für außer Gefahr gesetzt. Wie er zu diesem Irrtum kam, warum er glaubte, nicht mehr mit einem Gegner zu tun zu haben, der ihm doch jetzt gegenüberstand, das wird bald aus dem Verlauf der Erzählung hervorgehen.
Als Karl Dragoch am Morgen dieses Tages ans Ufer gesprungen war, wo ihn sein Untergebener erwartete, hatte ihn dieser stromaufwärts hingeführt. Nach zwei-bis dreihundert Metern waren die beiden Polizisten an ein im Ufergrase halb verstecktes Boot gekommen, das sie ohne Zögern bestiegen. Friedrich Uhlmann ergriff zwei Riemen und trieb das leichte Fahrzeug mit kräftigen Ruderschlägen an die andre Seite des Strom es.
»Das Verbrechen ist also auf dem rechten Ufer begangen worden? fragte da Karl Dragoch.
– Jawohl, bestätigte Friedrich Uhlmann.
– In welcher Richtung liegt der Tatort?
– Stromaufwärts, in der Umgebung von Gran.
– Wie?… In der Umgebung von Gran? rief Dragoch. Sagtest du mir nicht vorhin, wir hätten nur einen kurzen Weg vor uns?
– Es ist auch nicht weit dahin, versicherte Uhlmann, etwa drei Kilometer.«
In Wirklichkeit waren es vier, und eine so lange Strecke konnte nicht ohne Beschwerden von einem Manne zurückgelegt werden, der kaum dem Tode entronnen war. Wiederholt mußte Karl Dragoch stehen bleiben, um Atem zu schöpfen, woran es ihm fehlte. So wurde es fast Nachmittag drei Uhr, als er endlich die Villa des Grafen Hagenau erreichte, wohin seine Pflicht ihn gerufen hatte.
Sobald er sich nach einer Herzstärkung, die er gleich verlangte, völlig bei Kräften fühlte, war es Karl Dragochs erste Sorge, sich zu dem Hausmann Christian Hoël führen zu lassen. Vor einigen Stunden hatte ihn ein Chirurg aus der Nähe kunstgerecht verbunden, er hatte aber ein wachsgelbes Gesicht, geschlossene Augen und atmete nur mühsam. Obgleich seine Verwundung sehr ernster Natur war und die Lunge mitbetroffen hatte, bestand doch noch die Hoffnung, ihn zu retten, wenn ihm vollständige Ruhe gegönnt wurde.
Karl Dragoch konnte dennoch einige Aufklärungen erhalten, die ihm der Verletzte mit kaum hörbarer Stimme und abgebrochenen Worten gab. Mit dem Aufwand vieler Geduld erfuhr er da, daß eine mindestens aus fünf bis sechs Männern bestehende Bande mitten in vergangener Nacht nach Aufsprengung der Tür in der Villa eingebrochen sei. Christian Hoël der durch das Geräusch erwacht war, hatte kaum Zeit gefunden, aufzustehen, als er schon mit einem Dolchstich zwischen den Schultern zusammenbrach. Was später geschehen war, wußte er nicht, und konnte auch über die Angreifer keine weitre Auskunft geben. Er glaubte nur, ihr Anführer müsse ein gewisser Ladko sein dessen Namen seine Spießgesellen fast prahlerisch häufiger genannt hatten. Dieser Ladko, dessen Gesicht eine Maske bedeckte, war ein großer Bursche mit starkem blondem Vollbarte.
Diese letzte Einzelheit, die ja Karl Dragochs Verdacht bezüglich Ilia Bruschs stark abschwächte, ging dem Polizisten im Kopfe herum. Daß Ilia Brusch von Natur blond war, daran zweifelte er nicht; dessen Blond war aber zu Dunkelbraun verwandelt, und man beseitigt doch nicht am Abend eine Färbung, um sie am Morgen wieder anzubringen, etwa wie eine Perücke. Hier lag also noch eine ernste Schwierigkeit vor, die Karl Dragoch jedoch zu überwinden hoffte.
Ausführlichere Einzelheiten war der sehr geschwächte Hoël zu berichten nicht im stande. Von den andern Räubern hatte er nichts bemerkenswertes gesehen, da sie alle eine Larve vor dem Gesicht trugen.
Nachdem er diese Mitteilungen erhalten hatte, stellte der Detektiv noch einige Fragen bezüglich der Villa des Grafen Hagenau selbst. Diese war, wie er hörte, eine sehr reiche, mit fürstlichem Luxus ausgestattete Wohnung. Schmucksachen, Silberzeug und andre kostbare Dinge hatten hier alle Schubkasten gefüllt, Kunstgegenstände standen auf Kaminsimsen und Möbeln umher, und Meisterwerke der Malerei schmückten die Wände. In einem Panzerschrank in der obern Etage waren auch zahlreiche Wertpapiere verwahrt gewesen. Kein Zweifel also, daß die Einbrecher hier eine reiche Beute machen konnten.
Davon konnte sich Karl Dragoch auch leicht überzeugen, als er durch die verschiednen Wohnräume ging. Hier verriet alles eine regelrechte Plünderung, die nach wohlberechneter Methode ausgeführt war. Die Diebe hatten sich als
Weitere Kostenlose Bücher