Der Pilot von der Donau
Uferstaaten wohlwollend aufgenommen worden. Dadurch genügend bekannt geworden, daß seine Identität nicht angezweifelt werden könnte, anderseits versichert, bei Kollegen vom Donaubunde die überall an dem langen Laufe des Stromes wohnten, nötigenfalls Hilfe zu finden, hatte sich Ladko der Strömung ruhig anvertraut.
In Ulm erlebte er die erste Enttäuschung, als er sah, daß seine verhältnismäßige Berühmtheit ihn nicht vor dem Wetterstrahl der Polizei schützte. Da fühlte er sich denn höchst befriedigt, einen Passagier aufgenommen zu haben, dessen Legitimationspapiere gut in Ordnung waren und dessen Ehrbarkeit die Polizei von vornherein anzuerkennen schien. Freilich, wenn er dann nach Rustschuk kam, und die vorgebliche Wette (Fische zu einem gewissen hohen Werte zu erbeuten) von ihm nicht mehr beachtet wurde, konnte die Gegenwart eines Fremden unbequem werden. Dann würde er sich seinem Begleiter jedoch erklären, während die Wette bis dahin die Wahrscheinlichkeit des Erfolgs der Reise vermehren mußte, deren glückliche Durchführung Serge Ladko vor allem am Herzen lag.
Zu erfahren, daß er denselben Namen hatte, wie ein gefürchteter Bandit, und daß dieser Bandit ebenfalls ein Bulgare war, das bereitete Serge Ladko eine zweite unangenehme Überraschung. So unbestreitbar seine Unschuld und folglich seine Sicherheit auch war, konnte er doch nicht verkennen, daß eine solche Namensgleichheit zu recht ärgerlichen Verwechslungen, ja zu noch ernstern Komplikationen führen könnte.
Würde der Name, den er unter dem Ilia Bruschs verbarg, bekannt, so würde das nicht allein seine Ausschiffung in Rustschuk in Frage stellen, sondern es war auch zu befürchten, daß ihm daraus überhaupt lange Verzögerungen erwüchsen.
Gegen diese Gefahren hatte Serge Ladko kein Schutzmittel. Doch wenn sie auch ernst waren, brauchte man sie doch nicht zu übertreiben. Es war ja wirklich kaum zu glauben, daß die Polizei ohne besondre Veranlassung ihre Aufmerksamkeit einem harmlosen Angler zuwenden würde, und vor allem einem solchen, der durch die beim Wettbewerb von Sigmaringen errungenen Lorbeern geschützt war.
In Szalka, wohin er nach Sonnenuntergang gekommen und von wo er vor Tagesanbruch, ohne gesehen worden zu sein, wieder weggegangen war, hatte Serge Ladko nur sein Haus aufgesucht, wobei er sich leider überzeugte, daß ihn da auch keine Nachricht von Natscha erwartete. Ein so langes Schweigen raubte ihm fast den Verstand. Warum schrieb die junge Frau seit zwei Monaten nicht mehr? Was war ihr zugestoßen?… Die Zeiten öffentlicher Unruhen sind reich an privaten Unglücksfällen, und der Pilot fragte sich geängstigt, ob er bei einer glücklichen Landung in Rustschuk dort nicht schon zu spät erscheinen würde.
Dieser Gedanke, der ihm das Herz brach, verdoppelte gleichzeitig die Kraft seiner Muskeln. Der war es gewesen, der es ihm bei der Abfahrt von Gran möglich gemacht hatte, dem Unwetter zu trotzen und siegreich gegen den entfesselten Sturm zu kämpfen; derselbe Gedanke war es auch, der seinen Schritt beflügelte, als er mit der für Jäger bestimmten Herzstärkung zum Ufer zurückkehrte.
Wie groß war aber sein Erstaunen, hier den Passagier nicht zu finden, den er in einem fast hilflosen Zustande verlassen hatte, und die kurze schriftliche Nachricht, die er fand, verminderte dieses Erstaunen auch nicht. Welch zwingenden Grund konnte Jäger gehabt haben, sich trotz seiner Schwäche zu entfernen? Wie konnte es kommen, daß ein Wiener Bürger so dringliche Geschäfte hier auf plattem Lande und fern von jeder bewohnten Ortschaft haben könnte? Das war ein Rätsel, das der Lotse trotz eifrigen Nachsinnens nicht so bald lösen sollte.
Was der Grund dafür aber auch sein mochte, die Abwesenheit Jägers hatte in jedem Falle die Unannehmlichkeit, eine Reise, die an sich schon zu lang war, noch weiter zu verlängern. Ohne diesen unerwarteten Zwischenfall läge die Jolle jetzt schon wieder in der Strömung, und vor dem Abend wären noch viele Kilometer zu denen hinzugekommen, die sie bereits zurückgelegt hatte.
Die Versuchung war erst groß, Jägers Bitte nicht weiter zu beachten, gleich vom Lande abzustoßen und ohne eine Minute zu verlieren eine Fahrt fortzusetzen, deren Ziel Serge Ladko wie der Magnet das Eisen anzog.
Der Pilot entschloß sich jedoch zu warten; er hatte auf seinen Passagier Rücksicht zu nehmen, und es war am Ende besser, einen Tag zu verlieren, um keinen Vorwand zu spätern Streitigkeiten zu
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