Der Richter
verweigert. Die Verteidiger wiederum hatten sich schockiert gezeigt und angekündigt, in Berufung zu gehen.
Ein Foto zeigte Patton French, einen Mittfünfziger mit rundem Gesicht und welligem grauem Haar. Bei der Lektüre des Artikels wurde klar, dass er selbst die Zeitung angerufen und sich nur zu gern zu der großen Neuigkeit geäußert hatte: Es sei ein »harter Prozess« gewesen, die Beklagten seien bei ihren Handlungen von »rücksichtsloser Gier« getrieben worden.
Dagegen habe das Gericht eine »mutige und faire« Entscheidung gefällt, und eine Berufung könne »nur ein weiterer Versuch sein, den Lauf der Gerechtigkeit zu behindern«.
Er habe viele Prozesse gewonnen, prahlte er, aber dies sei seine wich-tigste Verurteilung. Zur Flut hoher Schadenersatzzahlungen in der letzten Zeit befragt, wies Patton French den Gedanken, dass das Urteil überzogen sein könnte, von sich. »Ein Gericht in Hinds County erkannte vor zwei Jahren auf Schadenersatz in Höhe von fünfhundert Millionen Dollar.« In anderen Teilen des Staates hatten weitsichtige Geschworenengerichte geld-gierige Unternehmen zu Strafen von zehn beziehungsweise zwanzig Millionen Dollar verdonnert. »Die Höhe des Urteils ist juristisch in jeder Hinsicht gerechtfertigt.«
Wie sich im Laufe des Artikels herausstellte, hatte Patton French sich auf pharmazeutische Haftungsfälle spezialisiert. Er bearbeitete allein vierhundert Ryax-Fälle, und jeden Tag kamen weitere hinzu.
Ray ließ den Sun Herald per Suchbefehl nach dem Wort Ryax durchfors-ten. Fünf Tage später, am 29. Januar, war eine fett gedruckte, ganzseitige Anzeige erschienen, die mit der Unheil verkündenden Frage begann: »Haben Sie Ryax eingenommen?« Darunter folgten zwei Absätze mit düsteren Warnungen vor den Gefahren des Medikaments. Ein weiterer schilderte den kürzlichen Erfolg von Patton French, dem erfahrenen Prozessanwalt, der sich auf Ryax und andere mit Mängeln behaftete Medikamente spezialisiert hatte. In den folgenden zehn Tagen würden qualifizierte Mediziner im Gulfport-Hotel potenzielle Opfer untersuchen. Diese Tests waren für alle, die sich meldeten, mit keinerlei Kosten verbunden und offenbar unverbind-lich - zumindest wurde nichts Gegenteiliges erwähnt. In deutlichen Lettern stand am Fuß der Seite zu lesen, dass die Kanzlei French & French für diese Anzeige bezahlt hatte. Es folgten deren Adressen und Telefonnummern in Gulfport, Biloxi und Pascagoula.
Die Wortsuche ergab, dass am 1. März 1999 eine nahezu identische Anzeige veröffentlicht worden war. Der einzige Unterschied bestand in Ort und Zeitpunkt der Tests. Für den 2. Mai 1999 fand Ray eine weitere Anzeige in der Sonntagsausgabe des Sun Herald.
Fast eine Stunde lang suchte er in Zeitungen, die nicht direkt an der Küste erschienen, und fand die gleiche Anzeige im Clarion-Ledger aus Jackson, in der Tinies-Picayune aus New Orleans, im Hattiesburg American, dem Mobile Register und dem Commercial Appeal aus Memphis sowie dem Advocate aus Baton Rouge. Patton French hatte eine massive Offensive gegen Ryax und Miyer-Brack ins Rollen gebracht.
Da er davon ausging, dass die Anzeigen möglicherweise in allen fünfzig Bundesstaaten erschienen waren, hörte Ray an dieser Stelle auf. Stattdessen probierte er es im Internet auf gut Glück mit der Suche nach Mr. French und landete auf der Website der Kanzlei, einem eindrucksvollen Pro-pagandamachwerk.
Die Kanzlei beschäftigte nunmehr vierzehn Anwälte, unterhielt Büros in sechs Städten und expandierte sozusagen stündlich. Die einseitige Biografie von Patton French fiel so schmeichelhaft aus, dass sich zarter besaitete Naturen dafür geschämt hätten. Patton Frenchs Vater, Mr. French der Ältere, sah aus wie mindestens achtzig und fungierte als Seniorpartner.
Offenbar lebte die Kanzlei von ihrer aggressiven Vertretung von Menschen, die durch ärztliche Kunstfehler oder mangelhafte Medikamente zu Schaden gekommen waren. Ihr bedeutendster Fall war der bisher größte Ryax-Vergleich aller Zeiten gewesen: neunhundert Millionen Dollar für siebentausendzweihundert Mandanten. Jetzt hatte sich die Kanzlei Shyne Medical vorgenommen, den Hersteller von Minitrin. Dieses weit verbreitete Medikament gegen Bluthochdruck war für die Firma höchst profitabel gewesen, bis es von der Arznei- und Lebensmittelbehörde FDA vom Markt genommen wurde, weil man es mit gefährlichen Nebenwirkungen in Verbindung brachte. Die Kanzlei vertrat fast zweitausend Minitrin-Mandanten und
Weitere Kostenlose Bücher