Der Ring Der Jaegerin
Außerdem tun mir die Füße weh.«
»Auch deine Schuld.«
Womit sie recht hatte. Aber das hinderte mich wenigstens nicht am Nachdenken. Was ich dann auch tat.
Letzte Woche hatte ich nicht den Eindruck gehabt, Volkmar Schrader besonders aufgefallen zu sein. Warum diesmal? Weil ich alleine war? Oder – und ein mieser Verdacht drängte sich mir auf – wollte er mich vielleicht als Informantin nutzen, die ihn über die Abwicklung des Verkaufes in unserem Haus auf dem Laufenden hielt. Das hätte er dann aber sehr subtil angefangen. Jetzt, da ich nicht mehr im Bann seiner Augen und seiner sinnlichen Flüsterstimme stand, erinnerte ich mich an meine Irritation bei unserem ersten Treffen. War er wirklich ein Mann, der absichtslos mit der kleinen Sekretärin eines wichtigen Verhandlungspartners erlesen essen geht, ihr einen nicht näher bezeichneten Job anbietet und alle feinfühligen Mittel der Verführung einsetzt? Hatte er mit solchen Maschen sein Unternehmen aufgebaut? Und was war mit Gerti Hollerkamp? Mit ihr würde ich gerne mal einen Gedankenaustausch betreiben. Aber solange ich nicht wusste, wie sie nun wirklich zu ihm stand, konnte das nur gefährlich sein.
Gefährlich? Wie kam ich jetzt auf die Idee, dass es gefährlich war? Wenn Schrader eine Gratwanderung betrieb und meine Firma dabei einen Flop zog, was musste ich mich da einmischen. Lass die Finger davon, Katharina! Du hast genug mit deinem Job, deiner Prüfung, dem Training und Minni samt dem komischen Buch.
Ich wälzte mich auf die andere Seite, und Minni gurrte leise. Ich strich ihr über den Kopf und schnaufte einmal heftig.
»Zu welchem Schluss bist du gekommen?«
Ich sagte es ihr, und sie schwieg einen Moment. Dann, als ich schon fast glaubte, sie sei eingeschlafen, murmelte sie: »Kann sein, dass das alles irgendwie zusammenhängt. Aber ich hab keine Ahnung, wie.«
»Wie meinst du das?«
»Dass du vielleicht die Finger nicht davon lassen kannst. Aber noch ist es nicht so weit. Schlaf jetzt!«
»Ich bin ein bisschen zu aufgedreht.«
»Ach was. Gleich schläfst du!«
»Glaub ich nicht!«
Das war das Letzte, woran ich mich erinnerte.
Ich hatte am nächsten Morgen keinen Nerv, mich in meine engen Pumps zu zwängen. Tanzen am Abend war denn doch zu viel, und ich beschloss, meine weichen, flachen Stiefel anzuziehen. Und weil ich auch keine Lust hatte, meine Haare aufzustecken, flocht ich mir sehr zu Minnis Genugtuung meinen Zopf.
»Steht dir viel besser. Betont deine alberne Nase nicht so.«
Sprachlos vor Staunen und mit offenem Mund sah ich diesen impertinenten Pelzmuff an, der sich umdrehte und über die Schulter hässlich grinste: »Hab ich deinen wunden Punkt gefunden, was?«
Ohne weiteren Kommentar stiefelte Minni dann aus dem Badezimmer, Schwanz nach oben gestreckt, und die Spitze lustvoll gekrümmt.
»Mistvieh!«, brüllte ich und warf ihr eine Bürste hinterher. Aber dann schüttelte ich den Kopf, sah in den Spiegel und erkannte, dass sie so unrecht nicht hatte. Oder war meine Nase vielleicht gar nicht so groß, wie ich mir immer eingebildet hatte?
Zumindest hatte Mergelstein einen lichtvollen Moment, als er mich sah.
»Oh, Sie sehen so verändert aus, Frau Leyden. Nicht so ernsthaft. Haben Sie etwas Neues an?«
Ich musste lächeln. »Nein, eigentlich nicht, aber ich trage heute meine Mädchenfrisur. Und damit habe ich auch meine ganze Autorität abgelegt.«
»Oh, das ist gut. Dann schimpfen Sie jetzt auch nicht, wenn ich Ihnen den Datensalat zeige, den ich angerichtet habe. Schauen Sie mal, ich kann nichts mehr lesen.«
Klar konnte er das nicht, er hatte ja – wie, wissen die Götter – auf Hex-Code umgestellt. Zwei Tastendrücke, und das Problem war beseitigt.
»Wunderbar, wie Sie das machen. Warten Sie mal. Habe ich Ihnen eigentlich schon den Umschlag …? Nein. Hier ist er.« Umständlich kramte er in seiner überquellenden Schreibtischschublade, in die er abends immer den gesamten Papierkram unsortiert hineinstopfte, um eine leere Tischplatte zu haben, und förderte einen harmlosen Umschlag hervor.
»Ich habe gedacht, Sie werden sich zu Weihnachten vielleicht ein Kleid oder so kaufen wollen«, nuschelte er, gab mir das Papier und wurstelte dann verlegen in seinen Unterlagen herum. Verblüfft machte ich den Umschlag auf, denn mein Weihnachtsgeld hatte ich ja schon bekommen. Und meine Augen wollten langsam Tassengröße annehmen, als ich las, dass ich eine Gratifikation in Höhe von zweieinhalb Monatsgehältern bekam,
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