Der Ring der Kraft - Covenant 06
»wirst du sie dann bemerken?«
»Ja!« schrie Linden zurück. »Jetzt weiß ich, um was es sich handelt!« Ihr Tonfall bezeugte Härte und Gewißheit. »Wir müssen anhalten! Ich kann nicht sagen, wie lange er in diesem Zustand am Leben bleibt!«
Die Erste nickte. »Meister!« brüllte sie. »Wir müssen haltmachen!«
Sofort verlangsamten Blankehans und Nebelhorn das Tempo, ließen die Schlitten weiterrutschen, bis sie von allein zum Stehen kamen. Pechnase schaffte noch ein paar Schritte, dann sackte er in einer flachen Mulde voller Schnee auf die Knie. Der Wind peitschte rings um ihn Gestöber empor. Sein Atem rasselte heiser, während er sich über Cail kauerte, den Haruchai an sich drückte, als wolle er Cail mit dem eigenen Leben wärmen. Linden sprang vom Schlitten, noch ehe er hielt, errang das Gleichgewicht und eilte an Pechnases Seite. Covenant dagegen blieb still und starr, wo er sich befand. Blankehans und Nebelhorn zogen die Schlitten zu Pechnase, Cail, Linden und der Ersten.
Auf einmal stand auch Hohl wieder dabei. Covenant hatte den Dämondim-Abkömmling nicht kommen sehen, wußte auch nicht, wie es ihm gelungen war, dem Eis zu entrinnen. Eisklümpchen hingen an seiner schwarzen Gestalt, aber Schaden hatte er keinen genommen. Er atmete nicht, seine Mitternachtsaugen achteten auf nichts.
Pechnase legte Cail hin. Linden kniete sich neben den Haruchai, untersuchte ihn mit den Augen, berührte dann seine Hülle aus Eis mit den Fingern. Augenblicklich entfuhr ihr durch die Zähne ein Fauchen der Pein. Als sie die Hand zurückriß, hinterließen ihre Fingerkuppen winzige Stückchen Haut auf dem Eis. Rote Tröpfchen sickerten aus dem aufgerissenen Fleisch, schimmerten hell im Sonnenschein. »Verflucht noch mal!« brauste sie auf, mehr aus Schrecken und Wut als aus Schmerz. »Das ist kalt! « Sie schauderte zusammen, als sie den Kopf zur Ersten hob. »Offenbar kennt ihr euch mit diesen Arghuleh etwas aus. Wißt ihr, was man gegen so was unternimmt?«
Zur Antwort zückte die Erste ihr Schwert. Sie schwang es bis über ihren Scheitel und hieb dann den Knauf kraftvoll auf die Kruste, die ihren linken Arm umschloß. Das Eis brach und sprang ab; ihr Arm war wieder frei, die Haut unversehrt. Die Erste spannte die steif gewordenen Muskeln von Hand und Handgelenk. Ein Anflug von Schmerzempfindung zeigte sich in ihrem Gesicht, aber sie münzte ihn unverzüglich in eine harte Miene um. »Siehst du's? Wir sind Riesen – gegen Kälte gleichermaßen gefeit wie wider Feuer. Dieweil wir keines andersartigen Gegenmittels bedürfen, haben wir nichts dergleichen erlernt.« Ihr Blick deutete an, daß sie in dieser Unkenntnis nun so etwas wie einen Fehler sah.
Aber Linden hatte keine Zeit für Fehler. »So können wir's mit ihm nicht machen«, murmelte sie, indem sie laut dachte. »Wir würden ihm die Hälfte aller Knochen brechen.« Angestrengt musterte sie Cail, um ihre Wahrnehmungen zu bestätigen. »Er lebt noch ... aber lange kann das nicht mehr gutgehen.« Sie bewegte die Finger mit den von Blut geröteten Kuppen, als hätte sie den Schmerz bereits vergessen. »Es muß Feuer her.« Dann schaute sie Covenant an. Bei seinem Anblick weiteten sich ihre Augen aus Erschrecken und Furcht. Sie hatte nicht bemerkt, daß die Kälte der Arghuleh ihn erwischt hatte; sie fühlte sich an wie ein schmerzlos in die Seite seines Schädels getriebener Nagel, ohne Schmerz in sein Hirn gebohrt. Und sie fraß sich langsam tiefer. Covenants linkes Auge war blind. Der Großteil der Nerven in der linken Körperseite war so taub wie durch Leprose. Er wollte um Hilfe rufen, aber er wußte nicht länger, wie man so etwas machte.
Aus dem Nichts erschien Findail. Er nahm wieder seine abgehärmte menschliche Gestalt an, bezog am Rande der Gruppe Aufstellung und richtete seine ganze Aufmerksamkeit auf Linden.
Eis dämpfte die Unterhaltung in Covenants Gehör. Er konnte es nicht ertragen: so wollte er nicht sterben. Irrsinniges Aufbegehren durchwallte ihn. Aller Winter war sein Feind; jeder Kilometer, jede Anhöhe der Eisdecke war ein gegen ihn geführter Angriff. Aus der Tiefe seiner Qual holte er Flammen und Gift herauf, als habe er vor, die Erde ein für allemal jeglicher Kälte zu entledigen, die Zeit aus ihren Grundfesten zu reißen, um den eisigen Tod abzuschütteln, der sein Gehirn umklammerte. Aber plötzlich war in ihm eine andere Präsenz. Sie war fremd und streng, fast verzweifelt aus Beunruhigung; und doch empfand er ihre Gegenwart
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