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Der Ruf der Kalahari - Mennen, P: Ruf der Kalahari

Titel: Der Ruf der Kalahari - Mennen, P: Ruf der Kalahari Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Mennen
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Wassermangel forderten ihren Tribut. Sie hätte alles getan für einen Schluck Wasser. Die Landschaft, die in der Tageshitze so monoton gleißend vor ihr lag, verschwamm immer mehr. Plötzlich sah sie aus der Ferne, aus dem wabernden Hitzeglast, eine Person herannahen. Vage Umrisse lösten sich aus dem bleiernen Dunst und kamen auf sie zu. Jella winkte ihr hektisch zu.
    »Hilfe«, krächzte sie mit letzter Kraft. »Hier bin ich!«
    Der Mensch hatte sie gehört und kam rasch näher. Jellas Herz krampfte sich vor Hoffnung zusammen. Endlich kam die Rettung. Ihre Freude steigerte sich ins Unendliche, als sie die Person erkannte, die da auf sie zukam.
    »Mama! Woher wusstest du...?«
    Sehnend streckte Jella ihrer Mutter die Arme entgegen und wäre fast von ihrem Baum gestürzt. Ihre Gedanken waren schon so verwirrt, dass sie sich gar nicht wunderte, sich einer Toten gegenüberzusehen.
    »Warte, ich komme«, flüsterte sie heiser und tastete mit ihren Füßen nach den Ästen unter ihr.
    In diesem Moment setzte ein fremdartiger, fröhlich klingender Gesang ein und ließ sie innehalten. Die Melodie hatte etwas Zwanghaftes und zog sie wieder in den Schutz ihrer Astgabel zurück. Wie fremd und doch vertraut ihr die von Klick- und Schnalzlauten durchzogene Melodie war. Sie hüpfte auf und ab, abwechselnd von hohen zu tieferen Tönen. Melodische Wellen überspülten sie und berührten ihre Seele auf eigenartige Weise. Worte formten sich aus der Melodie heraus und drangen tief in ihr verwirrtes Innerstes.

    »Bleib auf deinem Baum, liebe Sternenschwester.
    Bleib, wo du bist.
    Es ist Gauab, der dich hinunterlockt.
    Geh nicht aus dieser Welt.
    Bleibe bei mir.
    Bleib auf deinem Baum, liebe Sternenschwester.
    Du bist nicht allein.«
     
    Gefangen von der Innigkeit des Gesanges fühlte sich Jella geborgen wie schon lange nicht mehr. Eine große Sehnsucht ergriff sie und dann wieder tiefe Zufriedenheit. Nach und nach erstarben die Klänge und ließen sie wieder allein in der Wildnis zurück. Erst jetzt fiel ihr die Mutter wieder ein. Sie wartete doch auf sie! Wie hatte sie sie nur vergessen können? Streckte sie ihr nicht flehend die Hände entgegen? Jella konzentrierte sich. Doch ihre Mutter war verschwunden. Stattdessen starrten sie zwei gelbäugige Raubtieraugenpaare sehnsüchtig an.
    Die Hyänen versuchten sie mit ihren Tatzen zu erreichen.

Nakeshis Reise

    »Gauab stiehlt die Seele Kantlas und nimmt sie mit sich.« Debe schüttelte bekümmert den Kopf. »Kantla wird den heutigen Tag nicht überleben. Zu viele Stimmen rufen ihn von uns fort.« Nakeshi benetzte die Stirn des Fiebernden mit etwas kostbarem Wasser, das sie aus einem Straußenei tröpfeln ließ, und schmierte dann etwas Elenfett darüber. Auch sie spürte, dass es mit dem Kranken bald zu Ende gehen würde. Und doch sträubte sie sich dagegen, es zu akzeptieren. Eindringlich betrachtete sie seine eingefallenen Züge. Kantla war so anders, und doch war er ein Mensch wie sie. Sacht streichelte sie mit ihren Fingerspitzen über seine helle Haut.
    »Wer schießt nur seine Pfeile auf ihn, dass sie ihm so viel Unglück und Krankheit bringen? Hat er denn niemanden, der sie für ihn abwehrt?«
    »Ich fürchte, dass es unter seinen Vorfahren jemanden gibt, der ihn zu sich holen möchte. Es muss ein schrecklich unvernünftiger Geist sein«, meinte Debe. »Wenn Sheshe noch bei uns wäre, dann könnte sie ihn durch eine Heilungszeremonie zurückholen.«
    Nakeshi dachte nach. Seit ihrer Heirat mit Gao hatte sie sich verändert. Sie war ernster und auch besonnener geworden. Mit der Ehe hatte sie gewisse Pflichten innerhalb der Gemeinschaft übernehmen müssen. So erwartete man von ihr, dass sie regelmäßig auf die Suche nach Feldkost ging. Dabei grub sie mit den anderen Frauen nach essbaren Knollen und Wurzeln und sammelte
Beeren. Nakeshi half, wie es ihre Pflicht war, aber sie sonderte sich auch immer wieder ab, um nach Heilkräutern zu suchen, oder begab sich zu bestimmten Plätzen, wo sie die Kraft des Num besonders spüren konnte. Manchmal hatte sie auch Visionen. Ihre Sippe akzeptierte, dass Nakeshi den Weg der Heilerin gehen wollte, und ließ sie gewähren. Nur Gao und Chuka sahen es nicht so gern. Ihr Mann wollte sie immer wieder davon abhalten - auch um seine Position ihr gegenüber zu stärken. Nakeshi sah für sich keine andere Lösung, als ihn bei sich liegen zu lassen. Gao war darüber sehr erfreut und wurde tatsächlich einsichtiger. Sie ließ seine Berührungen zu und

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