Der Ruf der Kalahari - Mennen, P: Ruf der Kalahari
Sand und Flächen mit dürrem Gras - weit und breit kein Anzeichen einer Wasserstelle. Jella sah sich um und versuchte, ihre eigenen Spuren im Sand wiederzufinden. Aus welcher Richtung war sie heute Nacht gekommen? Sie hatte keine Ahnung. Nach einigem Überlegen fiel ihr ein, dass sie möglicherweise Richtung Osten geflohen war. Wenn sie den Weg zurück finden wollte, musste sie also
nach Western laufen. Die Sonne im Rücken, machte sie sich kurz entschlossen auf den Weg.
Die erste Zeit kam sie zügig voran. Sie sprach sich selbst Mut zu, und die Sonne bedachte sie anfangs mit einer angenehmen Wärme. Doch je höher die Sonne stieg, umso heißer entfaltete sie ihre Strahlkraft. Jella hatte ihren Strohhut im Planwagen zurücklassen müssen und war barhäuptig unterwegs. Obwohl die dichte kupferrote Lockenpracht ihr einen gewissen Schutz bot, brannte die Sonne ungehindert und schonungslos auf ihr hellhäutiges Gesicht. Immer mühsamer schleppte sie sich voran. Brennender Durst quälte ihre Kehle. Ihre Augen verklebten, weil ihnen die Flüssigkeit fehlte. Und langsam schwand auch die Kraft aus ihren Muskeln. Nur ihr Wille trieb sie weiter voran. Mechanisch setzte sie Fuß vor Fuß, stolperte mehr als sie ging und kämpfte sich weiter. Längst schon hätte sie zurück auf dem Pad sein müssen. Als die Sonne endlich über dem westlichen Horizont stand, musste sie erkennen, dass sie sich an der gleichen Stelle befand, von der sie am Morgen aufgebrochen war. Es bestand kein Zweifel. Der Fels, der weit ausladende Baum und ihre eigenen Spuren. Sie war im Kreis gelaufen.
Tränen des Zorns über ihre eigene Dummheit rannen ihr über die Wangen. Müde und abgekämpft setzte sie sich unter den Akazienbaum und beschloss, dort die nächste Nacht zu verbringen. Ein unbestimmtes Gefühl ließ sie plötzlich zusammenzucken. Sie fühlte sich beobachtet. Hastig rappelte sie sich auf und sah sich um. Die Sonne lag wie ein großer weicher Ball auf dem flachen Horizont. Zwei Hyänen umkreisten sie in sicherer Entfernung. Wie zum Hohn begannen sie bei ihrem Anblick zu keckern. Es klang wie das Lachen von Hexen, die gerade dabei waren, ihren Sudkessel anzuheizen, um darin Menschen zu kochen. Sie. Trotz der Wärme fröstelte Jella bei dem Gedanken. War das nun ihr Schicksal?
Warteten diese Bestien etwa nur darauf, dass sie zusammenbrach, um sich dann über sie herzumachen?
»Haut ab, ihr blöden Viecher!«, rief sie plötzlich wütend. Ihre Müdigkeit begann einem wachsenden Trotz zu weichen. Sie hatte immer noch ihren Revolver. Damit würde sie sich diese Biester schon vom Leib halten. Sie zielte auf eines der Tiere und drückte ab. Natürlich traf sie nicht. Die Hyänen waren zu weit weg. Immerhin verzogen sie sich knurrend hinter ein paar Rosinenbüsche. Jella ahnte, dass die Biester nur darauf warteten, dass ihre Aufmerksamkeit nachlassen würde. Sie musste sich vor den Raubtieren irgendwie in Sicherheit bringen. Der Fels war für die Hyänen kein Hindernis, aber auf den Baum konnten die schwerfälligen Tiere mit ihren kurzen Hinterbeinen und langen Vorderläufen wohl kaum klettern. Hoffte sie jedenfalls. Mühevoll schaffte sie es auf den unteren Ast, der etwa in ihrer Kopfhöhe begann. Von dort aus kletterte sie weiter, bis sie sich in einer sicheren Höhe wähnte. So gut es ging, richtete sie sich zwischen zwei Astgabeln ein. Die untergehende Sonne ließ lange Schatten entstehen. Jella spähte ängstlich nach den Hyänen. Sie hoffte, dass sie sich endlich trollten, damit sie am nächsten Morgen unbehelligt weiterziehen konnte. Innerhalb von Minuten verschwand die auf dem Horizont schwimmende Sonne und tauchte dahinter ab. Es wurde stockdunkel. Es würde noch einige Zeit dauern, bevor sich der Mond auf seinen Weg machte. Direkt unter ihrem Baum hörte sie wieder dieses widerwärtige Kichern. Jella nestelte nochmals nach ihrem Revolver, den sie in ihren Rocksaum gesteckt hatte. Doch er rutschte ihr aus den Händen und fiel hinab in die Tiefe. Morgen hole ich ihn mir wieder, tröstete sie sich bitter.
Der nächste Morgen brachte keine Erleichterung. Schon bald brannte die Sonne wieder unerbittlich auf Jella hinab. Sie saß immer
noch auf ihrem Baum und wartete darauf, dass die Hyänen verschwanden. Doch die dachten gar nicht deren. Als zur Geduld verdammte Aasfresser kannten sie sich mit schwächer werdender Beute aus. Sie mussten nur abwarten. Jellas Verstand begann sich zunehmend zu trüben. Die unerbittliche Sonne und der
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