Der Ruf der Wellen: Roman (German Edition)
Luft ein. Der silberne Mond stand über ihnen am Himmel, die Sterne funkelten wie auf Samt gebettete Juwelen. Er kletterte die Leiter zur Mermaid hinauf, drehte sich um und reichte ihr eine Hand.
Das Amulett lag wie ein dunkler Blutstropfen auf seiner Brust, wie eine Wunde im Herzen.
Sie griff nach seiner Hand, nur einen Augenblick bevor die Welt explodierte.
Feuer und Wasser, Blut und Tränen. Flammen fielen vom Himmel auf das Meer, bis das Wasser vor Hitze kochte.
Matthew.
Sein Name kreiste durch ihre Gedanken, während sie sich im Schlaf bewegte. Ganz benommen von ihren Träumen und ihrer Trauer, nahm sie weder die Gestalt wahr, die sich leise auf sie zubewegte, noch das Aufleuchten des Messers in seiner Hand, als das Mondlicht die Klinge traf.
Eine Hand legte sich über ihren Mund und riss sie aus dem Schlaf. Tate setzte sich instinktiv zur Wehr. Ihre Augen weiteten sich, als sie das silbern glänzende Messer sah.
Obwohl sie wusste, dass es sinnlos war, umklammerte sie sein Handgelenk, bevor die Klinge zustechen konnte.
»Sei still«, zischte er direkt neben ihrem Ohr. »Verdammt, Rotschopf, lässt du dich noch nicht einmal ohne Diskussion retten?«
Ihr Körper bäumte sich auf und versteifte sich. Matthew!
Die Hoffnung war zu schmerzhaft, als dass sie lange darüber nachdenken wollte. Aber dann erkannte sie die Silhouette, roch das Salzwasser an seinem Taucheranzug und in seinem dunklen Haar.
»Still«, wiederholte er, als er ihren Atem stoßweise in seiner Handfläche spürte. »Keine Fragen, kein Wort. Vertrau mir einfach.«
Sie hätte sowieso kein Wort herausgebracht. Wenn dies immer noch ein Traum war, wollte sie nicht aufwachen. Sie klammerte sich an ihn, während er sie aus der Kabine und die Kajüttreppe hinaufführte. Schauer durchliefen sie wie ein Erdbeben, aber als er ihr das Signal gab, über die Reling zu klettern, gehorchte sie widerstandslos.
Buck klammerte sich an das untere Ende der Leiter. In dem silbernen Mondlicht wirkte sein Gesicht kreidebleich. Schweigend legte er ihr die Sauerstoffflaschen um. Seine Hände zitterten so heftig wie ihre, als er ihr mit der Maske half. Neben ihnen legte Matthew seine eigene Ausrüstung an.
Dann tauchten sie unter.
Sie blieben direkt unter der Oberfläche, damit sie sich am Mondlicht orientieren konnten. Eine Taschenlampe wäre weithin sichtbar gewesen und erschien Matthew als unnötiges Risiko. Er hatte gefürchtet, dass sie unter Schock stehen und die weite Strecke unter Wasser vielleicht nicht würde bewältigen können, aber sie passte sich seinem Tempo an.
Sie mussten fast vier Meilen zurücklegen, bis zu der Stelle, an der die New Adventure ankerte. Sie begegneten Tintenfischen und anderen nachtaktiven Lebewesen, bunten Farbtupfern, verschwommenen Bewegungen in der dunklen See. Tate blieb keinen Meter hinter den beiden Männern zurück.
Allein wegen ihres zielstrebigen Schwimmstils hätte er sich in sie verlieben können. Haar und Kleidung schwebten unter Wasser um ihren Körper, ihre Augen hinter der Maske wirkten dunkel und entschlossen.
Von Zeit zu Zeit sah er auf seinen Kompass, korrigierte den Kurs. Es dauerte über dreißig Minuten, bis sie das Boot erreicht hatten.
Tate tauchte auf und spuckte Wasser.
»Matthew, ich dachte, du wärst tot! Ich habe gesehen, wie die Mermaid explodierte, und glaubte, du wärst an Bord gewesen!«
»Offensichtlich nicht«, sagte er leichthin und bemühte sich, sie beide über Wasser zu halten. »Jetzt bringen wir dich erst einmal an Deck, Rotschopf, du zitterst wie Espenlaub, und deine Eltern sind halb verrückt vor Sorge um dich.«
»Ich dachte, du wärst tot«, wiederholte sie und schluchzte, während sie ihren Mund auf seine Lippen presste.
»Ich weiß, Baby, es tut mir leid. Buck, hilf mir.«
Aber Ray streckte bereits eine Hand über die Reling. Seine Augen waren feucht vor Erleichterung. Er betrachtete seine Tochter prüfend und zog die Flaschen an Bord. »Tate, bist du verletzt? Geht es dir gut?«
»Alles bestens. Mir geht es prima«, versicherte sie ihm, während Marla sich zu ihr beugte und ihre Hand nahm. »Nicht weinen, Mom.« Dabei kamen ihr selbst die Tränen, als sie ihre Mutter umarmte.
»Wir hatten solche Angst! Dieser schreckliche Mann. Dieses Schwein! Lass mich dich ansehen.« Marla nahm Tates Gesicht in beide Hände und hätte fast gelächelt, bis sie die blauen Flecken entdeckte. »Er hat dir wehgetan! Ich hole dir Eis und heißen Tee. Setz dich hin, Liebling, wir kümmern
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