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Der Ruf des Kookaburra

Der Ruf des Kookaburra

Titel: Der Ruf des Kookaburra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Leuze
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Stirn blickte Emma auf die Zwillinge nieder, die bei ihr im Gras saßen, sich gegenseitig umschubsten, quietschten und Krabbelübungen machten. Sehr vergnügt, aber … Täuschte Emma sich, oder waren die beiden in den letzten Wochen gar nicht weitergewachsen? Dünner waren sie auch geworden. Von den Speckröllchen, die Emma so entzückend gefunden hatte, war nichts mehr zu sehen.
    Ob sie krank waren? Aber gleich beide?
    Sorge erfasste Emma, und sie beschloss, noch heute mit John über die Babys zu sprechen. Am besten fragte sie ihn, gleich nachdem sie die Babys zum Stillen zu Purlimil zurückgebracht hatte.
    Vielleicht hatte die Freundin ja nicht mehr genug Milch, schoss es Emma durch den Kopf. Sie erinnerte sich vage daran, in Dr. von Ammons schlauem Büchlein gelesen zu haben, dass Aufregung und Kummer die Milch einer Mutter versiegen lassen konnten. Sollte Purlimils Schwermut am Ende dazu führen, dass sie ihre Kinder nicht mehr stillen konnte, selbst wenn sie sich weiterhin dazu bereit erklärte?
    Aber wie sollten die Babys dann ernährt werden? Es gab keine anderen stillenden Mütter im Clan, niemand konnte Purlimils Aufgabe übernehmen.
    Bekümmert streichelte Emma erst Belle, dann Gelar über das Köpfchen. Möglicherweise, überlegte sie, brauchten die Kleinen ja inzwischen auch mehr als Muttermilch. In Belles Unterkiefer brach gerade der erste Zahn durch; zu diesem Zeitpunkt begannen die Mütter in Deutschland, ihre Kinder an feste Nahrung zu gewöhnen. Zwieback in warmer Milch oder Bouillon, das war es, was Krabbelkinder bekamen.
    Allerdings würde es mehr als schwierig werden, an Zwieback oder Bouillon heranzukommen, und ein passender Ersatz fiel Emma beim besten Willen nicht ein. Die Schwarzen brauchte sie diesbezüglich gar nicht erst zu befragen: Sie würden Emma nur verständnislos anstarren, war doch jeder Einzelne von ihnen ohne Zwieback, Milch und Bouillon groß geworden.
    Emma seufzte. Sie hob die Kinder auf, setzte sie sich auf die Hüften und ging zurück zu ihrem heutigen Lager, das inmitten eines duftenden Akazienhains errichtet worden war. Vielleicht hatte John einen Rat.
    Aber als Emma sich zu Purlimil durchgeschlagen, ihr mit dem üblichen schmerzhaften Schweigen die Kinder übergeben und sich danach auf den Weg zu ihrem Zelt gemacht hatte, erwartete sie eine unangenehme Überraschung.
    Die Gestalt, die sich da hinter den weißen Stoffbahnen zusammenkrümmte … war das nicht John?
    Die Gestalt stöhnte. Er war es. Und er war eindeutig verletzt.
    Emma rannte auf John zu. Ein Dingo sprang ihr zwischen die Beine, und sie stolperte. Ihr Fall wurde von einer Akazie gebremst, die ihr den Unterarm aufschürfte. Fluchend lief sie weiter.
    John hob den Kopf und erblickte sie.
    »Emma! Solch derbe Worte aus einem zarten Mund?«, versuchte er zu scherzen, doch Emma sah an den Schweißperlen auf seiner Stirn, wie viel Mühe es ihn kostete.
    Sie hockte sich neben ihn ins Gras und musterte ihn besorgt.
    »Um Himmels willen, was ist denn geschehen? Hast du große Schmerzen?«
    »Ach was, nicht der Rede wert.« Mühsam richtete John seinen Oberkörper auf, bis er fast normal auf dem Boden saß. »Nur eine kleine Auseinandersetzung. Ein, zwei Stunden Erholung, und ich bin wieder ganz der Alte.«
    Emma starrte ihn an. »Eine Auseinandersetzung? Willst du mir etwa erzählen, du hättest dich geprügelt?«
    »So könnte man es nennen, denke ich«, sagte John. »Manche Dinge müssen eben mit Fäusten geklärt werden. Das verstehst du nicht, Emma. Du bist eine Frau.«
    »Danke, dass du mich daran erinnerst.« Emma spürte, wie sie wütend wurde. »Aber ich fände es doch nett zu begreifen, was du mit Fäusten klären musstest. Vielleicht verstehe ich es ja, wenn ich mich wirklich anstrenge.«
    Ihre Bissigkeit schien John nicht zu berühren. Statt verlegen zu sein, sagte er nur: »Nein, das glaube ich nicht. Und der Grund unserer Auseinandersetzung ist nichts, was für zarte Frauenohren bestimmt wäre.«
    Emma stand auf, stemmte die Hände in die Hüften und funkelte ihn von oben herab an. »Wer sich hinter meinem Zelt die Wunden leckt, der sagt mir gefälligst auch den Grund dafür!«
    John blickte mit halb gesenkten Lidern zu ihr hoch. Er schien mit sich zu ringen, wie viel er ihr anvertrauen durfte; gleichzeitig kämpfte er sichtlich mit seinen Schmerzen.
    »Also gut«, sagte er schließlich zähneknirschend und hielt ihr seine Hand hin. »Hilf mir auf, dann gehen wir ein Stück.« Er verzog das Gesicht.

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