Der Sarg: Psychothriller
erst spät in der Nacht wieder zurückgekommen. Ja, ihr Vater war ein Feigling gewesen.
Eva zwang ihre Gedanken zurück in die Gegenwart und beschloss, dass ihr ein heißes Bad guttun würde. Sie ging in die Küche und nahm sich eine Flasche Rotwein aus dem Regal neben dem Kühlschrank, öffnete sie und nahm sie zusammen mit einem Glas mit ins Badezimmer, wo sie beides auf der breiten Ablage neben der Badewanne abstellte. Nachdem sie das Wasser angestellt und einen Schuss von einem nach Pfirsich riechenden Badezusatz dazugegeben hatte, ging sie ins Schlafzimmer, um sich auszuziehen. Sie wunderte sich kurz, dass entgegen ihrer Gewohnheit die Tür nicht geschlossen war, tat das aber damit ab, dass sie am Morgen vor dem Termin mit Dr. Leienberg sehr nervös gewesen war.
Sie betrat das Zimmer, wandte sich ihrem Kleiderschrank zu, und stieß einen spitzen Schrei aus. Wie gebannt stand sie da und starrte auf die Spiegeltür ihres Schranks, über die schräg mit einem Lippenstift in großen roten Buchstaben geschrieben stand:
Beim nächsten Mal
wirst du vielleicht
sterben!!!
25
Mirjam Walther hatte in Heimersdorf in einer sehr ruhigen Seitenstraße eine kleine Souterrainwohnung im Haus ihrer Eltern bewohnt. Ihre Mutter und ihr Vater waren beide zu Hause, als Menkhoff und Reithöfer dort ankamen. Menkhoff überließ es seiner Kollegin, ihnen die traurige Nachricht zu überbringen. Frau Walther, eine mollige Frau Anfang fünfzig, brach völlig zusammen. Ihr Mann stützte sie bis ins Wohnzimmer, dort setzte er sie in einen Sessel und sank mit erstarrtem Gesicht auf die Lehne. Während Reithöfer sanft auf die Frau einredete, rief Menkhoff einen Arzt. Er sah ein, dass der Versuch zwecklos war, den beiden Fragen zu stellen, und beschränkte sich nur auf das Nötigste, als die Schockstarre bei Mirjams Vater sich nach einigen Minuten wieder etwas gelöst hatte. Mirjam war bei einem Versicherungsmakler angestellt, sie hatte derzeit keinen Freund gehabt, und es gab laut ihrem Vater niemanden, der sie nicht mochte.
Als der Arzt eintraf, ließen sie sich von Mirjams Vater ihre Wohnung zeigen und sahen sich ein wenig darin um. Er stand die ganze Zeit über hilflos daneben und starrte Löcher in die Wand. Nach einer Weile nickte Menkhoff Reithöfer zu und wandte sich an den Mann. »Wir werden uns jetzt verabschieden, können Ihnen weitere Fragen aber leider nicht ersparen. Kollegen von uns werden bald noch einmal bei Ihnen vorbeikommen. Denken Sie, Sie könnten eine Liste zusammenstellen mit allen Freunden und Bekannten Ihrer Tochter, die Ihnen einfallen?«
Der Mann sah Menkhoff an, als hätte er kein Wort von dem verstanden, was er gerade gehört hatte, doch dann nickte er.
»Gut«, sagte Menkhoff, »dann kümmern Sie sich jetzt um Ihre Frau. Der Arzt wird ihr ein Beruhigungsmittel gegeben haben.«
Als sie auf den Wagen zugingen, konnte Menkhoff nicht länger an sich halten: »Ich hasse das. Und ich hasse diese Schweine, die Schuld daran haben, dass es diese Situationen gibt. Und jetzt fahren wir zu Herrn Wiebking.«
Der Pförtner nickte ihnen zu, als sie vor ihm standen, und Menkhoff glaubte sogar, zum ersten Mal so etwas wie eine angedeutete Freundlichkeit in seinem Gesicht zu entdecken, als sie ihm sagten, dass sie zu Herrn Wiebking senior wollten. Er schob ihnen ohne Zögern zwei Besucherausweise durch die Öffnung und sagte: »Ich melde Sie an.« Sekunden später deutete er, den Hörer noch am Ohr, mit dem Kinn in die Richtung, in die sie gehen mussten. Das sollte wohl heißen, dass sie erwartet wurden. Menkhoff war geneigt, das als Sympathiebeweis zu interpretieren, und hatte fast sogar den Anflug eines schlechten Gewissens, weil er dem Mann nicht die Wahrheit gesagt hatte. Er wollte nicht zu dem alten Wiebking, sondern zu dessen Sohn, und hoffte, dass er in seinem Büro war. Menkhoff wollte ihn überraschen und ihm keine Zeit geben, sich zu überlegen, was sie wohl von ihm wollten.
Als sie an der Stelle ankamen, von der aus ein kurzer Gang direkt zu Jörg Wiebkings Büro führte, wurde die Tür gerade geöffnet, und eine gutaussehende blonde Frau kam heraus. Sie stockte, als sie Menkhoff und Reithöfer sah, und blieb dann vor der Tür stehen, die noch immer geöffnet war. Menkhoff registrierte den Besucherausweis, der vor ihrer Brust baumelte, sie war also offensichtlich keine Mitarbeiterin der Rossbach Maschinenbaubetriebe. Hinter ihr tauchte Jörg Wiebking auf, und auch er war sichtlich überrascht, Menkhoff und
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