Der Schatten erhebt sich
entfernt.
Er befand sich tatsächlich genau an jenem Punkt, den er hatte erreichen wollen, dem Ort, von dem die Raben hergekommen waren und auch der Pfeil, der den ersten Bussard getötet hatte. So etwas war bisher noch nie vorgekommen. Lernte er einfach immer mehr darüber, wie man mit diesem Wolfstraum umgehen konnte - Springer hatte gesagt, er wisse einfach nicht genug -, oder war es diesmal anders als sonst?
Beim nächsten Schritt war er vorsichtiger, aber es war auch nur ein einziger Schritt. Es gab kein Anzeichen eines Schützen oder der Raben, keine Spur, keine herumliegende Feder, keine Witterung. Er wußte selbst nicht, was er erwartet hatte. Es konnte ja gar kein Anzeichen geben, außer, sie hätten sich ebenfalls in der Traumwelt befunden. Aber wenn er im Traum Wölfe fand, konnten die ihm behilflich sein, ihre Brüder und Schwestern in der wirklichen Welt aufzuspüren, und die wiederum wären in der Lage, ihm zu sagen, ob sich Schattenwesen in den Bergen aufhielten. Vielleicht würden sie seinen Ruf vernehmen, wenn er weiter nach oben stieg?
Er richtete den Blick auf den höchsten Berg seiner Umgebung, gerade unterhalb der Wolkendecke, und trat vor. Die Welt verschwamm, und dann stand er weit oben am Hang, die weißen Wolkenkissen keine fünf Spannen über seinem Kopf. Unwillkürlich mußte er lachen. Das machte Spaß. Von hier aus konnte er das gesamte Tal überblicken.
»Springer!« Keine Antwort.
Er sprang auf den nächsten Berg hinüber, rief, wieder umsonst, und von da aus zum nächsten, immer weiter nach Osten auf die Zwei Flüsse zu. Springer antwortete nicht.
Und was noch beunruhigender war: Perrin konnte auch keine anderen Wölfe in der Nähe fühlen. Doch im Wolfstraum gab es immer Wölfe. Immer.
Von Gipfel zu Gipfel sprang er in ständig verschwimmender Bewegung, rief, suchte. Die Hänge lagen einsam unter ihm, nur von Hirschen und anderem Wild belebt. Es gab allerdings gelegentlich Anzeichen dafür, daß hier Menschen gewesen waren. Uralte Anzeichen. Zweimal sah er riesige in Stein gehauene menschliche Figuren, die beinahe einen gesamten Berghang bedeckten, und an einem anderen Ort waren seltsam eckige Buchstaben zwei Spannen hoch in eine Steilwand eingehauen worden, die ein wenig zu glatt und senkrecht wirkte. Die Gesichter der Steinfiguren waren fast vollständig verwittert gewesen, und weniger gute Augen als die seinen hätten die Buchstaben möglicherweise ebenfalls für Risse und Anzeichen von Verwitterung gehalten. Die Felsen und Schründe machten Platz für die Sandhügel, große, wogenartige Erhebungen, die nur spärlich mit dürrem Gras und Dornbüschen bewachsen waren. Einst, vor der Zerstörung der Welt, waren sie der Strand eines großen Meeres gewesen. Und mit einemmal sah er einen anderen Mann, der auf dem Gipfel eines dieser sandigen Hügel stand.
Er war zu weit entfernt, um ihn klar erkennen zu können - einfach ein großer, dunkelhaariger Mann, aber ganz eindeutig kein Trolloc oder anderes Schattenwesen. Er trug ein blaues Wams und auf dem Rücken einen Bogen und beugte sich über etwas, das vom Unterholz verborgen auf dem Boden lag oder stand. Es war etwas Vertrautes an ihm.
Der Wind frischte auf, und Perrin konnte eine schwache Witterung aufnehmen. Es war ein kalter Geruch - anders ließ es sich nicht beschreiben. Kalt und nicht eindeutig menschlich. Plötzlich hielt er den eigenen Bogen in der Hand, hatte einen Pfeil aufgelegt, und das Gewicht des gefüllten Köchers zog an seinem Gürtel.
Der andere Mann blickte auf und sah Perrin. Einen Herzschlag lang zögerte er, doch dann wandte er sich um und wurde zu einem verschwommenen Schemen, das über die Hügel forthuschte. Perrin sprang hinunter auf den Hügel, wo eben noch der Mann gestanden hatte. Er betrachtete das, was den Kerl so beschäftigt hatte: den halb abgehäuteten Kadaver eines Wolfs. Ein toter Wolf in einem Wolfstraum. Das war undenkbar. Was konnte hier einen Wolf töten? Es mußte etwas schrecklich Böses gewesen sein. Er machte sich ohne nachzudenken an die Verfolgung.
Der, den er suchte, rannte in meilenlangen Schritten davon, und er bekam ihn kaum einmal richtig zu sehen. Aus dem Hügelland hinaus, über den verfilzten Westwald mit seinen weit verstreuten Bauernhöfen, über bestellte Äcker, über ein Netzwerk eingezäunter Felder und kleiner Dickichte und schließlich an Wachhügel vorbei. Es war schon eigenartig, dieses Dorf mit seinen strohgedeckten Häusern auf dem Hügel völlig menschenleer
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