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Der Schwarm

Der Schwarm

Titel: Der Schwarm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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    Unglaublich! Sie dachte wie ein verliebter Teenager. Tina Lund, nicht zurechnungsfähig. Klar würde er sich freuen. Was denn sonst?
    Während sie sich vom Fiskehuset entfernte, wanderte ihr Blick aufs Meer hinaus. Ihr fiel auf, dass sie sich geirrt haben musste vorhin. Sie hatte gedacht, der felsige Strand sei breiter als sonst, aber er war wie immer. Nein, eigentlich wirkte er sogar schmaler.
    Einen Moment lang verharrte sie.
    Wie konnte man sich derart täuschen?
    Vielleicht war der Sturm schuld. Die Wellen schlugen mal mehr, mal weniger herein. Wahrscheinlich wurde es gerade wieder heftiger. Sie zuckte die Achseln und ging weiter.
    Als sie völlig durchnässt die Brennerei betrat, fand sie niemanden in dem kleinen Empfangsraum vor. An der Rückwand stand eine Holztür offen. Lichtschein drang aus dem Keller nach oben. Sie zögerte nicht, sondern stieg hinab, wo sie zwei Männer antraf, die an Fässer gelehnt miteinander redeten, jeder ein Glas in der Hand. Es waren die beiden Brüder, denen die Brennerei gehörte, freundliche, alte Kerle mit wettergegerbten Gesichtern. Kare war nirgends zu sehen.
    »Tut mir Leid«, sagte einer der beiden. »Er ist vor zwei Minuten abgezogen. Du hast ihn gerade verpasst.«
    »War er zu Fuß hier?«, fragte sie. Womöglich konnte sie ihn einholen.
    »Nein.« Der andere schüttelte den Kopf. »Mit dem Lieferwagen. Er hat ein bisschen was gekauft. Zu viel, um's zu tragen.«
    »Hat er gesagt, ob er zurück ins Restaurant fährt?«
    »Ja, da wollte er hin.«
    »Okay. Danke.«
    »He, warte mal.« Der Alte löste sich vom Fass und kam zu ihr herüber. »Wenn du schon umsonst gekommen bist, trink wenigstens einen mit uns. Das ist doch ein Unding, du kommst in eine Brennerei und gehst nüchtern wieder raus!«
    »Danke, das ist sehr nett, aber ...«
    »Er hat Recht«, stimmte sein Bruder eifrig zu. »Du musst was trinken.«
    »Ich ....«
    »Draußen geht die Welt unter, Kind. Wie willst du denn zurückfinden ohne was Warmes im Bauch?«
    Beide sahen sie mit Dackelaugen an. Lund wusste, dass sie den Alten eine Freude machte, wenn sie auf ein Glas blieb.
    Und warum eigentlich nicht?
    »Eines«, sagte sie.
    Die Brüder grinsten und nickten einander zu, als hätten sie soeben Konstantinopel eingenommen.
     
     
    Shetland Islands, Großbritannien
    Der Helikopter setzte zur Landung an.
    Johanson sah hinaus. Sie hatten die Steilküste überflogen, waren ihrem Verlauf gefolgt und hielten nun auf den kleinen Landeplatz zu, an dem Karen Weaver ihn abholen wollte. Die Klippen fielen nach Osten sanft ab und endeten in einer geschwungenen Bucht. Ab hier war das Land flach. Endlose Sand- und Kiesstrände reihten sich aneinander, hinter denen die typische karge Mooslandschaft der Shetlands begann. Niedrige, lang gestreckte Hügel, zwischen denen sich die Straßen ausnahmen wie hineingekratzt.
    Der Heliport gehörte zu einer meereskundlichen Station, die ein halbes Dutzend Wissenschaftler beherbergte, und verdiente die Bezeichnung kaum: ein annähernd rundes Schotterfeld inmitten der graugrünen Weite, die Station selbst wenig mehr als eine Ansammlung windschiefer Baracken. Eine schmale Straße führte aus den Hügeln herab und endete an einem Pier. Johanson sah keine Boote. Neben den Baracken parkten zwei Geländewagen und ein rostiger VW-Bus. Weaver schrieb an einem Artikel über Seehunde, darum hatte sie den Platz ausgewählt. Sie fuhr regelmäßig mit den Wissenschaftlern hinaus, tauchte mit ihnen und wohnte in einer der Hütten.
    Eine letzte Bö ließ den Bell erzittern, dann hatten die Räder Bodenberührung. Federnd setzte der Helikopter auf.
    »Das hätten wir überstanden«, sagte der Pilot.
    Johanson sah eine kleine Gestalt am Rand des Landefeldes stehen. Ihre Haare flatterten im Wind. Er schätzte, dass es Karen Weaver war. Es gefiel ihm, wie sie da in der Einöde wartete. Nicht weit von ihr war ein Motorrad aufgebockt. Alles nach seinem Geschmack. Eine archaische Insel mit einer einsamen Gestalt darin, beide einander beherrschend. Er reckte die Glieder, steckte das Buch mit den Gedichten Whitmans zurück in die Reisetasche und griff nach seinem Mantel.
    »Meinetwegen könnten wir noch ein paar Runden drehen«, sagte er, »aber ich würde die Dame ungern warten lassen.«
    Der Pilot drehte sich zu Johanson um und zog die Stirn in Falten.
    »Tun Sie eigentlich nur so cool, oder hat es Ihnen tatsächlich nichts ausgemacht?«
    Johanson versuchte, in die Ärmel seines Mantels zu

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