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Der Seher des Pharao

Der Seher des Pharao

Titel: Der Seher des Pharao Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pauline Gedge
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Huy«, sagte Ramose und ging hinaus. Die Tür schloss sich leise hinter ihm. Niedergeschlagen und von Schuldgefühlen, aber auch dem Gefühl einer bevorstehenden Befreiung bestürmt, hockte sich Huy im Schneidersitz auf den Boden und hatte das Gebet der Schreiber schon beendet, ehe ihm bewusst wurde, dass er die wohlbekannten Worte in den Mund nahm.
    Ohne nachzudenken, öffnete er die Schatulle und nahm die beiden Rollen heraus. Er schätzte den uralten Papyrus genügend, um behutsam damit umzugehen, auch wenn er ganz und gar nicht ehrfürchtig war. Die eine Rolle war dunkler als die andere und sehr dünn. Huy rollte sie rasch auseinander. Das ist also der fünfte und letzte Teil, dachte er, als sein Blick auf die bekannten schönen Hieroglyphen fiel. Danach bin ich von dem Baum befreit. Egal, was ich lese, ich kann den Priestern sagen, es sei unverständlich, dass Jahre vergehen werden, bis mir die Erleuchtung kommt, und allmählich werden sie mich alle vergessen. Wut und eine merkwürdige Verzweiflung köchelten in seinem Herzen. Fast erwartete er, dass der Baum seine Gefühle spüren würde und seine Blätter ihn ermahnen und anklagen würden, aber da war nur das übliche Rascheln des trockenen Windes in den Zweigen. Huy atmete aus und sah hinab.
    Ich, Thot, Zunge von Atum, bringe nun das mächtige Geschenk dieser wenigen Worte.
    Ich, Thot, Berechner der Zeit für Götter und Menschen, spreche nun vom Tod der Zeit.
    Ich, Thot, der am Anfang wurde, spreche nun vom Ende.
    Ich, Thot, der Lenker von Himmel, Erde und der Ersten Duat, bin nun die Brücke von Atum.
    Brücke zwischen was und was?, überlegte Huy. Nicht zwischen Atum und irgendetwas, denn Thot bezeichnet sich als Brücke von Atum, nicht für Atum. Atum überquert nicht die Brücke, um irgendwohin zu gelangen. Er las weiter.
    Dies ist der Wille Atums. Du wirst durch alle beiden Himmel gehen. Du wirst die beiden Ufer umrunden.
    Du wirst eins mit den vergänglichen Sternen werden. Du wirst zum Ba.
    Du wirst in das Land des Westens reisen. Du wirst friedvoll in den Binsengefilden wohnen, bis dich der, der hinter sich schaut, übersetzt.
    Horus schafft dir freie Bahn. Du leuchtest als der einsame Stern mitten am Himmel. Dir sind Flügel gewachsen wie dem breitbrüstigen Falken, wie dem Habicht, der am Abend den Himmel durchmisst. Du wirst das Firmament auf dem Strom des Re-Harachte kreuzen. Nut wird ihre Hand über dich halten.
    Thot hatte noch einen letzten Absatz angehängt:
    Ich, Thot, Herr allen Richtens, habe dieses Buch nach den Anweisungen von Atum geschrieben. Möge der Leser dieser Worte nun sein Sa einsetzen, denn das Ende des Buches führt zurück zum Anfang, und der, der die Augen von meinem Werk hebt, kann die Kraft des doppelten Heka nicht sehen, der ihn umgibt. Möge die Weisheit der Erleuchtung über ihn kommen, oder möge die Finsternis der Verwirrung seinen Ach für immer einhüllen.
    Huy ließ die dünne Rolle zusammenschnurren und sah sich erschrocken um. Ich habe kein Sa, dachte er voller Angst. Ich weiß noch nicht einmal, was ein Sa ist. Ist es ein Amulett oder ein Zauberspruch oder bloß ein Geisteszustand? Ich spüre keinen doppelten Heka hier, oder wenigstens nichts wie den Heka, der mich im Thot-Tempel in Chmunu bedrückt hat. Nur den umfassenden Zauber des Isched-Baums und das Kribbeln der Macht, das von dem Papyrus in meiner Hand ausgeht. Ich weiß nicht, was Atums Worte bedeuten, aber ich verstehe die Warnung am Ende. Ich muss mich um Erleuchtung bemühen, oder mein Geist wird auf lange Zeit verwirrt sein. Was besagt der Kommentar? Die zweite Rolle war ebenso dünn wie die erste. Er breitete sie rasch aus und hoffte, sie würde das, was ihm ohne Sinn erschien, etwas erhellen. Es ist so, als würde ich den ersten Teil des Buches zum ersten Mal öffnen. Ich kämpfe in einem Meer von Verworrenheit, gepaart mit der Wut und dem Groll, die nicht vergehen.
    Doch die Warnung des unbekannten Weisen bot ihm keine Hilfe.
    Wenn du deine Seele in deinem Körper verschließt und dich erniedrigst, indem du sagst: Ich kann es nicht wissen, ich habe Angst, ich kann nicht in den Himmel aufsteigen – was hast du dann mit Atum zu schaffen? Wecke deine schlafende Seele. Warum willst du dich dem Tod überlassen, wenn du unsterblich werden kannst? Du bist besoffen von deinem Nichtwissen über Atum. Es hat dich überwältigt, und nun würgst du es heraus. Leere dich von der Dunkelheit, und du wirst mit Licht angefüllt werden.
    Er beschreibt meinen

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