Der Sklave von Midkemia
gegeben hat, einhalten. Ich spreche sofort mit Jican, und wenn der Priester hier eintrifft, werden die Künstler bereits an den Zeichnungen für die Heiligen Stätten und das Gebetstor arbeiten.« Sie würde einige der weiter entfernt liegenden Ländereien verkaufen müssen, um dem Priesterheiler die versprochene Summe zu zahlen, doch das war von geringer Bedeutung angesichts des Unternehmens in Dustari. Teile dieser Besitzungen mußten ohnehin geopfert und die entsprechenden Garnisonen hierhergebracht werden, um jede Bedrohung vom Herzstück der Acoma abzuwenden. Gewöhnlich kümmerte Mara sich um solche Angelegenheiten selbst, doch diesmal übertrug sie die Verantwortung dafür auf Jican. Lujan klärte sie über die notwendige Ausrüstung ihrer Soldaten auf, und sie gewährte ihm eine lange Liste von Forderungen. Dann ging sie, ohne auch nur einen Gedanken an das vergessene Frühstück zu verschwenden, in das Zimmer, in dem Keyoke lag. Kerzen umgaben ihn, und Diener standen bereit, doch der Kommandeur war immer noch bewußtlos und atmete so flach, daß er kaum noch am Leben sein konnte. Kevin wartete respektvoll an der Tür, während Mara zu seinem Lager ging und sich neben Keyoke auf den Kissen niederkniete.
»Ehrenvoller Mann, verlasse uns nicht«, murmelte sie. »Heute mittag wird Hilfe eintreffen. Arakasi hat einen Priester Hantukamas gefunden, der in diesem Augenblick herbeieilt, um den Acoma zu helfen.«
Keyoke lag reglos da. Nicht einmal seine Augenlider zuckten, und seine Haut blieb so weiß wie frisch gefallener Schnee.
Unentrinnbar stand er an der Pforte des Todes. Kevin hatte genügend Verletzungen und Folgeerscheinungen gesehen, um sich den Tatsachen zu stellen. Voller Mitleid trat er näher und hockte sich hinter sie, die Hand sanft an ihrer Taille. »Liebes, er kann dich nicht hören.«
Mara schüttelte eigensinnig den Kopf, und der Duft ihrer gelösten Haare stieg in seine Nase. »Wir denken anders darüber. Das Rad des Lebens ist vielfältig, sagen unsere Priester. Keyokes körperliches Ohr mag nichts hören, doch sein Geist, der tief in seinem Wallum ruht, schläft niemals. Sein Geist weiß, daß ich mit ihm gesprochen habe, und er wird Kraft aus Hantukama gewinnen und Turakamu in Schach halten.«
»Ich hoffe, daß dein Glaube Früchte trägt«, murmelte Kevin. Doch er sah auf Keyokes schwerverletzten Körper und die Hände, auf denen die Narben vergangener Schwertwunden ein weißes Muster hinterlassen hatten, und er fühlte, wie seine eigene Hoffnung schwand. Er preßte seine Hände fester um seine Lady, wollte ihr Trost spenden, aber auch die Trauer und die Furcht teilen, denen er sich aus Mangel an Mut nicht stellen konnte. Sollte er sie verlieren, dachte er – und verdrängte den Gedanken sofort wieder. Es folgte die beunruhigende Erkenntnis, daß er möglicherweise gar nicht mehr den Wunsch hatte, seinen Platz an ihrer Seite zu verlassen, auch wenn er die Möglichkeit hätte, in seine Heimatwelt zurückzukehren.
»Lebt, Keyoke«, sagte er. »Ihr werdet gebraucht.« Und es war unwichtig, ob das Wallum des Kriegers ihn hören konnte oder nicht, denn der große Midkemier sprach die Worte genauso für sich selbst.
Der Priesterheiler Hantukamas traf genau eine Stunde nach Mittag ein; ohne jede förmliche Ankündigung war er plötzlich da. Mara hatte Keyokes Zimmer nicht mehr verlassen. Sie hatte dort Fragen ihrer Vertrauten beantwortet und die Bediensteten mit dem Essen wieder fortgeschickt. Als der Mittag herannahte, war sie aufgestanden und hatte begonnen, mit gerunzelter Stirn auf und ab zu gehen. Gelegentlich wandte sie sich um und warf einen besorgten Blick auf die viel zu ruhige Gestalt in den Kissen. Kevin, der reglos daneben saß, bemerkte die Rastlosigkeit seiner Lady, doch er war viel zu klug, als daß er mit ihr gesprochen oder versucht hätte, sie zu trösten. Nach außen schien sie in ihrer Sorge aufzugehen, doch der leere Blick ihrer Augen belehrte ihn eines Besseren. Ihre Gedanken hatten sich vom Krankenzimmer weit entfernt, wiederholten Gebetsrituale und Meditationen, die sie in Lashimas Tempel gelernt hatte. In ihren Bewegungen war ein Rhythmus, ein tänzerisches Festhalten an einer Form, das weniger ziellose Energieverschwendung bedeutete als vielmehr auf ein Ziel gerichtet war. Sie beendete eines dieser Muster, blinzelte wie eine Träumerin, die gerade aus dem Schlaf erwachte, und fand sich einer einfach gekleideten Gestalt gegenüber.
Der Mann war staubbedeckt und
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