Der Sklave von Midkemia
trinken aufhört und nicht mehr mit Mädchen herumspielt, wissen wir, daß er einen Anschlag auf unser Haus plant.«
Mara reagierte auf diesen Vorschlag mit einer Geste, die ihre Zustimmung zum Ausdruck brachte. Ein schwaches Lächeln deutete sich auf ihren Lippen an und ließ sie wunderhübsch erscheinen. Sie selbst war sich dieser Tatsache nicht bewußt, doch Lujan sah es. Mit ergebener Bewunderung betrachtete er seine Herrin und meinte ein wenig schelmisch: »Mylady, Erste Beraterin« – hierbei nickte er der verhutzelten Nacoya zu – »ich werde den Kriegern, die mittags bei ihren Übungen schwitzen, also sagen, daß wir darauf warten, daß Desios kleiner Soldat erschöpft ist. Wir werden uns zum Kampf aufstellen, sobald die Flagge des Lords der Minwanabi sinkt.«
Mara errötete und warf dem Truppenführer einen strengen Blick zu. »Lujan, Euer Scharfsinn ist beeindruckend, doch Euer Beispiel ist es weniger.« Seit ihrer Hochzeitsnacht fühlte Mara sich nicht sehr wohl bei solchen Gesprächen.
Lujan verneigte sich. »Mylady, ich wollte Euch nicht …« Sie wischte die Entschuldigung mit einer Handbewegung beiseite – sie konnte Lujan niemals lange böse sein – und wandte den Kopf zur Seite, als ihr Läufer auftauchte und sich vor ihr verbeugte.
»Sprich, Tamu«, sagte sie freundlich, denn der Junge war neu auf diesem Posten und noch immer unsicher.
Tamu preßte seine Stirn gegen den Boden, eingeschüchtert von der Gegenwart der Edlen. »Lady, Euer Supai wartet in Eurem Arbeitszimmer. Er sagt, er hat Berichte aus der Provinz Hokani, besonders aus dem Gebiet im Norden.«
»Endlich«, sagte Mara erleichtert. Die Wortwahl des Läufers teilte ihr bereits mit, mit welchen Informationen Arakasi gekommen war. Nur ein Landsitz in Hokani zählte. Er brachte also Nachrichten über den Gegenzug der Minwanabi, den sie schon seit vier Wochen erwartet hatten. Sie wandte sich an ihre Vertrauten: »Ich werde jetzt sofort mit Arakasi sprechen und Euch später am Nachmittag wiedersehen.«
Leichte Brisen spielten mit den Ulo-Blättern, und der Springbrunnen sang immer noch sein gleichförmiges Lied, als die wichtigsten Offiziere des Hauses Acoma mit einer Verbeugung die Auflösung der Versammlung akzeptierten. Keyoke und Lujan standen als erste auf. Jican nahm die Tafeln an sich und bat seine Herrin um die Erlaubnis, noch einmal wegen der Cho-ja-Seidenmacher vorbeischauen zu dürfen. Mara gewährte ihm die Bitte, doch sie winkte ihn fort, bevor er auch nur eine seiner gegenwärtigen Sorgen hatte loswerden können.
Nacoya erhob sich zum Schluß. In der letzten Zeit schränkte Arthritis ihre Bewegungsfähigkeit ein, und die plötzliche Erkenntnis, daß das Alter seinen Tribut von der unbezwingbaren Frau forderte, versetzte Mara einen Stich. Die Beförderung zur Ersten Beraterin hatte Nacoya sich redlich verdient, und trotz ihrer eigenen Überzeugung, nach der sie höher aufgestiegen war, als ihr eigentlich zustand, trug Maras ehemalige Amme die Amtsrobe mit Würde und scharfem Verstand. Dreißig Jahre hatte sie den Frauen und Töchtern der Herrscher der Acoma gedient und sich dabei einen einzigartigen Einblick in das Spiel des Rates erworben.
Beklommen sah Mara zu, wie Nacoya sich etwas ungelenk verbeugte. Es war ihr unmöglich, sich das Wohlergehen der Acoma ohne die scharfsichtige Führung der alten Frau vorzustellen; stark und gleichzeitig liebevoll hatte sie Mara zur Seite gestanden und ihr geholfen, Probleme zu lösen, die zunächst unüberwindlich gewirkt hatten. Nur die Götter wußten, wie lange Nacoya noch leben mochte, doch mit einem Frösteln spürte Mara die Gewißheit, daß die Tage ihrer Ersten Beraterin gezählt waren. Die Lady der Acoma war auf einen solchen Verlust ganz und gar nicht vorbereitet. Abgesehen von ihrem Sohn war die alte Frau so etwas wie Maras Familie – das einzige, was davon noch übrig war.
Sollte Nacoya plötzlich sterben, würde es ihr schwerfallen, aus der Gruppe ihrer Bediensteten einen neuen Ersten Berater auszuwählen.
Mara verdrängte die düsteren Gedanken. Am besten war es, zukünftige Sorgen beiseite zu schieben, zumindest solange die Minwanabi mit Racheplänen beschäftigt waren.
Mara forderte ihren Läufer auf, Arakasi Bescheid zu geben, daß sie ihn bald im Arbeitszimmer treffen würde. Dann rief sie mit einem lauten Händeklatschen eine Dienerin herbei und trug ihr auf, Essen aus der Küche zu holen. War Arakasi seiner Gewohnheit treu geblieben, hatte er sich direkt zu
Weitere Kostenlose Bücher