Der Streik
angeblich sind. Sie sind ein Haufen mieser Heuchler.“
„Wer?“, fragte Dagny.
„Alle“, sagte Lee Hunsacker. „Die Leute sind durch und durch Mistkerle, es hat keinen Sinn, etwas anderes zu behaupten. Gerechtigkeit, hm? Sehen Sie sich um!“ Sein Arm deutete rings umher. „Ein Mann wie ich, derart heruntergekommen!“
Draußen vor dem Fenster wirkte das Mittagslicht wie eine graue Dämmerung zwischen den kahlen Dächern und den nackten Bäumen eines Ortes, der weder ländlich war noch jemals wirklich zur Stadt werden würde. Dämmerung und Feuchtigkeit schienen sich bis in die Wände der Küche gesogen zu haben. Ein Berg von Frühstücksgeschirr lag im Spülbecken; ein Eintopf köchelte auf dem Herd und verströmte den fettigen Geruch von billigem Fleisch; eine staubige Schreibmaschine stand zwischen den Papieren auf dem Tisch.
„Die Twentieth Century Motor Company“, sagte Lee Hunsacker, „war eines der namhaftesten Unternehmen in der Geschichte der amerikanischen Industrie. Ich war der Präsident dieses Unternehmens. Ich besaß diese Fabrik. Aber sie wollten mir keine Chance geben.“
„Sie waren nicht der Präsident der Twentieth Century Motor Company, nicht wahr? Sie standen, glaube ich, einem Unternehmen vor, das Amalgamated Service hieß, oder?“
„Ja, ja, aber das ist dasselbe. Wir haben ihre Fabrik übernommen. Wir wären genauso erfolgreich gewesen wie sie. Noch erfolgreicher. Wir waren genauso wichtig. Wer zum Teufel war schon Jed Starnes? Nichts als ein hinterweltlerischer Automechaniker. Wussten Sie, dass er so begonnen hat? Ohne jeglichen familiären Hintergrund. Meine Familie gehörte einmal zu New Yorks High Society. Mein Großvater war Parlamentsabgeordneter. Es ist nicht meine Schuld, dass mein Vater es sich nicht leisten konnte, mir einen eigenen Wagen zu kaufen, als er mich zur Schule schickte. Alle anderen Jungs hatten Autos. Aber der Name meiner Familie war genauso gut wie die Namen aller ihrer Familien. Als ich am College war …“ Er brach plötzlich ab. „Was sagten Sie, von welcher Zeitung Sie kommen?“
Sie hatte ihren Namen genannt, konnte aber nicht sagen, warum sie jetzt froh war, dass er ihn nicht wiedererkannt hatte, und vorzog, ihn nicht darüber aufzuklären. „Ich habe nicht gesagt, dass ich von einer Zeitung komme“, antwortete sie, „ich brauche nur einige Informationen über diese Motorenfabrik, wegen einer privaten Angelegenheit, nicht zur Veröffentlichung.“
„Oh.“ Er wirkte enttäuscht. Mürrisch fuhr er fort, als hätte sie ihn vorsätzlich beleidigt: „Ich dachte, Sie wären vielleicht schon vorab wegen eines Interviews gekommen, weil ich meine Autobiografie schreibe.“ Er deutete auf die Blätter auf dem Tisch. „Und ich beabsichtige, jede Menge zu erzählen. Ich beabsichtige … Verdammt!“, sagte er plötzlich, als ihm etwas einfiel.
Er eilte zum Herd, hob den Deckel vom Topf und vollführte hasserfüllt einige Rührbewegungen, ohne tatsächlich bei der Sache zu sein. Er warf den triefenden Löffel auf den Herd und ließ dabei das Fett in den Gasbrenner tropfen, dann kam er zurück an den Tisch.
„Ja, ich werde meine Autobiografie schreiben, wenn mir jemals einer die Chance dazu gibt“, sagte er. „Wie kann ich mich auf eine ernste Arbeit konzentrieren, wenn ich mich auch noch um solche Sachen kümmern muss?“ Er deutete mit dem Kopf hinüber zum Herd. „Freunde, was? Diese Leute glauben, nur weil sie mich hintergangen haben, können sie mich ausbeuten wie einen chinesischen Kuli! Nur weil ich nirgends anders hinkonnte. Sie haben es leicht, meine guten, alten Freunde. Er rührt niemals einen Finger im Haus, sitzt nur den ganzen Tag in seinem Laden herum, einem lausigen, zweitklassigen Schreibwarenladen – ist das an Bedeutung etwa mit dem Buch gleichzusetzen, das ich schreibe? Und sie geht einkaufen und bittet mich, für sie auf den verdammten Eintopf achtzugeben. Sie weiß, dass ein Schriftsteller Ruhe und Konzentration braucht. Aber kümmert sie das? Wissen Sie, was sie heute getan hat?“ Vertraulich beugte er sich über den Tisch und deutete auf das Geschirr im Spülbecken. „Sie ist zum Markt gegangen, hat das Frühstücksgeschirr stehen lassen und gesagt, sie würde es später abwaschen. Ich weiß, was sie wollte. Sie erwartet, dass ich es abwasche. Aber da hat sie sich getäuscht. Ich lasse es stehen, wo es ist.“
„Würden Sie mir erlauben, Ihnen ein paar Fragen über die Motorenfabrik zu stellen?“
„Glauben Sie
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