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Der Streik

Der Streik

Titel: Der Streik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ayn Rand
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Fakten. „Sind die Güterwaggons nach Minnesota geschickt worden?“ „Formular 357 W ist vollständig ausgefüllt, wie vom Büro des Koordinators im Einklang mit den Anweisungen des Rechnungsprüfers und Richtlinie 11-493 gefordert.“ „Sind die Güterwaggons nach Minnesota geschickt worden?“ „Die Einträge für die Monate August und September wurden bearbeitet von …“ „Sind die Güterwaggons nach Minnesota geschickt worden?“ „Meine Unterlagen verzeichnen den Standort der Güterwaggons nach Bundesstaat, Datum, Klassifizierung und …“ „Wissen Sie, ob die Güterwaggons nach Minnesota geschickt worden sind?“ „Im Hinblick auf die Verschiebung von Güterwaggons zwischen verschiedenen Bundesstaaten müsste ich Sie auf die Unterlagen von Mr. Benson verweisen und …“
    Aus den Unterlagen war nichts zu ersehen. Die Einträge waren sorgfältig gemacht, jeder Eintrag ließ vier mögliche Deutungen zu, mit Verweisen auf Verweise, die zu einem letzten Beleg führten, der leider fehlte. Dagny stellte rasch fest, dass die Waggons nicht nach Minnesota geschickt worden waren und die entsprechende Anordnung von Cuffy Meigs stammte – doch wer sie ausgeführt, wer die Spuren verwischt hatte, welche Schritte von welchen willfährigen Männern unternommen worden waren, um den Anschein eines ordnungsgemäßen, normalen Ablaufs aufrechtzuerhalten, ohne einen einzigen Protestschrei, der die Aufmerksamkeit eines mutigeren Mannes hätte erregen können, wer die Berichte gefälscht hatte und wohin die Waggons verschwunden waren – das war zunächst nicht in Erfahrung zu bringen.
    Die ganze Nacht hindurch rief eine kleine verzweifelte Gruppe unter der Leitung von Eddie Willers immer wieder in jedem Sektionsbüro an, an jedem Güterbahnhof, in jedem Betriebshof, bei jedem Bahnhof, an jedem Nebengleis und jedem Rangiergleis von Taggart Transcontinental, fragte nach verfügbaren Güterwaggons und ordnete an, alles zu entladen, liegen zu lassen oder fortzuwerfen und die Waggons unverzüglich nach Minnesota zu schicken. Sie telefonierten mit sämtlichen Güterbahnhöfen, sonstigen Bahnhöfen und den Präsidenten sämtlicher Eisenbahngesellschaften, die irgendwo auf der Landkarte noch halbwegs existierten, und bettelten sie um Güterwaggons für Minnesota an. Währenddessen widmete Dagny sich der Aufgabe, in einem feigen Gesicht nach dem anderen nach dem Aufenthaltsort der fehlenden Güterwaggons zu forschen.
    Sie ging von Eisenbahnführungskräften über begüterte Spediteure bis hin zu Beamten in Washington und wieder zurück zu den Eisenbahnen und verfolgte – per Taxi, telefonisch, telegrafisch – eine Spur aus halb ausgesprochenen Andeutungen. Die Spur endete in einem Washingtoner Büro bei einer Öffentlichkeitsreferentin, die klang, als hätte sie die Lippen zusammengepresst, und ärgerlich am Telefon sagte: „Nun, schließlich ist es Ansichtssache, ob Weizen wirklich entscheidend für das Wohlergehen der Nation ist – es gibt auch Leute, die den progressiveren Standpunkt vertreten, dass die Sojabohne vielleicht von größerem Wert ist“, und dann stand sie mittags mitten in ihrem Büro und wusste, dass die für den Weizen Minnesotas bestimmten Güterwaggons stattdessen in die Sumpfgebiete Louisianas geschickt worden waren, um die Sojabohnen aus dem Projekt von Kips Mama zu befördern.
    Die erste Meldung über das Fiasko von Minnesota stand drei Tage später in den Zeitungen. Darin wurde berichtet, dass die Farmer, die sechs Tage lang auf den Straßen Lakewoods gewartet hatten, ohne einen Lagerplatz für ihren Weizen zu finden oder Züge, die ihn abtransportiert hätten, das örtliche Gerichtsgebäude, das Haus des Bürgermeisters und den Bahnhof zerstört hätten. Dann brach die Berichterstattung abrupt ab, und die Zeitungen schwiegen und begannen kurz darauf, Ermahnungen zu drucken, in denen die Menschen aufgefordert wurden, unpatriotischen Gerüchten keinen Glauben zu schenken.
    Während die Getreidemühlen und -märkte des Landes per Telefon und Telegramm Hilferufe nach New York sowie Abordnungen nach Washington schickten, während Güterwaggonketten aus irgendwelchen Ecken des Kontinents wie rostige Raupenfahrzeuge quer über die Karte in Richtung Minnesota krochen, waren der Weizen und damit die Hoffnung des Landes an verlassenen Gleisen unter den unveränderlich grünen Signallichtern, die freie Fahrt für Züge gaben, die nicht da waren, dem Untergang geweiht.
    An den Schreibtischen von Taggart

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