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Der Streik

Der Streik

Titel: Der Streik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ayn Rand
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nicht an Dingen messen, über die ihr nicht entscheiden könnt. Der Mensch kann nur eine einzige grundlegende Entscheidung treffen: zu denken oder nicht zu denken, und daran ist seine Tugendhaftigkeit zu messen. Moralische Vollkommenheit ist ungebrochene Rationalität – nicht der Grad eurer Intelligenz, sondern der volle und anhaltende Gebrauch eures Verstandes, nicht das Ausmaß eures Wissens, sondern die Anerkennung der Vernunft als etwas Absolutem.
    Lernt zu unterscheiden zwischen Fehltritten aus Unkenntnis und moralischen Übertretungen. Ein Fehltritt aus Unkenntnis ist kein moralischer Makel, vorausgesetzt, ihr seid willens, ihn zu korrigieren; nur ein Mystiker würde Menschen nach Maßgabe einer unmöglichen automatischen Allwissenheit beurteilen. Eine moralische Übertretung hingegen ist die bewusste Entscheidung, eine Handlung zu begehen, von der ihr wisst, dass sie böse ist, oder eine willentliche Abwehr von Erkenntnis, eine Außerkraftsetzung von Sehen und Denken. Was ihr nicht wisst, kann euch in moralischer Hinsicht nicht angelastet werden; aber was ihr euch weigert zu wissen, reichert sich als Niedertracht in eurer Seele an. Seid unbedingt nachsichtig im Hinblick auf Fehltritte aus Unkenntnis, aber vergebt oder akzeptiert keine moralischen Übertretungen. Entscheidet im Zweifelsfall zugunsten derer, die nach Wissen streben, aber behandelt als potenzielle Totschläger die unverschämten, verkommenen Burschen, die Forderungen an euch richten, ohne euch Gründe dafür vorlegen zu können und zu wollen, und die verkünden, sie ‚fühlten sich berechtigt‘, oder diejenigen, die ein unwiderlegbares Argument zurückweisen, indem sie sagen: ‚Es ist nur Logik‘, das heißt: ‚Es ist nur Wirklichkeit.‘ Jenseits der Wirklichkeit gibt es nichts als das Reich und die Prämisse des Todes.
    Akzeptiert die Tatsache, dass der einzige moralische Zweck eures Lebens im Erlangen von Glück besteht und dass Glück – und nicht etwa Schmerz oder geistlose Zügellosigkeit – der Beweis eurer moralischen Integrität ist, da es der Beweis und das Ergebnis eurer Loyalität gegenüber dem Erreichen eurer Werte ist. Glück war die Verantwortung, vor der euch graute, denn es erfordert jene rationale Disziplin, derer ihr euch nicht für würdig erachtet habt – und die ängstliche Schalheit eures Daseins ist das Zeugnis eurer Abwehr der Erkenntnis, dass es keinen moralischen Ersatz für Glück gibt, dass es keinen verachtenswerteren Feigling gibt als denjenigen, der dem Kampf um seine Freude entflieht, weil er sich nicht traut, sein Existenzrecht zu behaupten, und dem Leben gegenüber nicht einmal so viel Mut und Loyalität aufbringt wie ein Vogel oder eine Blume, die der Sonne entgegenwächst. Legt die schützenden Lumpen jenes Lasters, das ihr eine Tugend nennt, ab: Demut. Lernt, euren Wert zu schätzen, das heißt: für euer Glück zu kämpfen – und wenn ihr lernt, dass Stolz die Summe aller Tugenden ist, dann werdet ihr lernen, wie ein Mensch zu leben.
    Als ersten Schritt zur Selbstachtung lernt, jede Forderung nach Hilfe als Zeichen von Kannibalismus zu betrachten. Eine solche Forderung zu stellen heißt, einen Besitzanspruch auf euer Leben zu erheben – und so abscheulich ein solcher Anspruch auch sein mag, so gibt es doch etwas noch Abscheulicheres: eure Zustimmung. Ihr wollt wissen, ob es jemals angemessen ist, einem anderen zu helfen? Nein, wenn er es als sein Recht beansprucht oder als eine moralische Pflicht, die ihr ihm schuldig seid. Ja, wenn es euer eigener Wunsch ist, weil es euch angesichts seines Werts und seiner Bemühungen eine eigennützige Freude bereitet. Leid an sich ist kein Wert; nur des Menschen Kampf gegen das Leid ist wertvoll. Wenn ihr euch entschließt, einem leidenden Menschen zu helfen, dann tut es nur wegen seiner Tugenden, seines eigenen Bemühens um Linderung, seiner früher bewiesenen Vernunft oder wegen der Tatsache, dass er ungerechterweise leidet; dann ist eure Hilfe nichtsdestoweniger ein Handel, und er honoriert sie durch seine Tugendhaftigkeit. Doch einem Menschen ohne Tugenden zu helfen, ihm aufgrund seines Leidens an sich zu helfen und seine Fehler und sein Bedürfnis als Anspruch zu akzeptieren, hieße, eure Werte mit einer Nullhypothek zu beleihen. Ein Mensch ohne Tugenden hasst die Existenz und handelt nach der Prämisse des Todes; ihm zu helfen hieße, das Böse in ihm zu billigen und seine Laufbahn der Zerstörung zu unterstützen. Und sei es nur ein Cent, der euch

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