Der stumme Tod
nicht zur Premiere ihres neuen Filmes erschienen ist, und das passt überhaupt nicht zu ihr.«
»Wann haben Sie Frau Fastré denn zuletzt gesehen?« »Vor gut einer Woche ungefähr.«
»Und es war sicher, dass Sie zur Premiere kommen würde.« »Natürlich! So etwas ist selbstverständlich, das erwarten die Premierenzuschauer. Und Jeanette hat solche Termine immer genossen, das hat sie noch nie geschwänzt. Deswegen sind wir ja so beunruhigt.« Er machte eine Pause, und seine Stimme wurde leiser. »Sie fährt für ihr Leben gern Auto. Nicht dass sie irgendwo in einer einsamen Landschaft ... einen Unfall ... «
»Haben Sie es denn gestern gar nicht bei ihr zu Hause probiert?«
»Das haben mich Ihre Kollegen doch schon gefragt. Natürlich!
Wir haben in ihrer Wohnung angerufen, dann bei ihrem Portier, und als der sagte, er habe sie schon ein paar Tage nicht gesehen, haben wir uns gewundert und die Sache der Polizei gemeldet.«
»Lass das!«
Der Hund hatte sich mit beiden Vorderpfoten ins Aktenregal gestellt, dessen unterer Boden mitsamt der Leitzordner bedenklich nach vom kippte.
»Ich hoffe, Sie meinen wieder den Hund, Herr Kommissar.« »Können Sie mir ein paar Menschen nennen, die Frau Fastré etwas besser kennen? Die ihr hier in Berlin am nächsten stehen?« »Schwierig. Wie gesagt, ich weiß nicht viel über sie. So oft es ging, war sie bei ihrer Familie in Belgien. Sie stammt aus Malmedy.« »Könnte sie da nicht auch jetzt sein?«
»Nein, da haben wir schon angerufen. Aber das habe ich Ihren Kollegen doch alles erzählt.«
Rath bedankte sich und legte auf. Viel hatte er nicht erfahren.
Aber wenigstens wusste er jetzt, wie der Hund hieß.
Es klopfte, und ein hagerer Schupo mit Säufernase kam herein.
»Sie sind also auf den Hund gekommen, Herr Kommissar?« »So sieht's aus.«
»Na, denn werd ick Ihnen det Tier mal abnehmen, wal Harn noch 'n bisschen Platz in unsere Zwinger.«
Der Schupo machte einen Schritt auf Kirie zu, die inzwischen an dem Gummibaum schnüffelte, der neben dem Fenster in der Zimmerecke stand.
»Na, komm zu Papi«, sagte der Mann und beugte sich zu dem Hund hinunter, der den Uniformierten misstrauisch anschaute. Als der Schupo noch einen Schritt machte, fing Kirie an zu knurren und wich zurück in die Zimmerecke.
»Wie heißt denn der Hund?«
»Er heißt Kirie. Und er ist eine Sie.«
Der Schupo versuchte sein Glück noch einmal. »Na komm, Kirie, Cherie, na komm!«
Kirie war dem Charme der preußischen Schutzpolizei offensichtlich nicht erlegen. Ihr Knurren wurde drohender, dann bellte sie ein paar Mal kurz und bestimmt.
»Un bis du nich willich, denn brauch ick Jewalt«, sagte der Schupo und wollte Kirie mit einem beherzten Griff packen, doch der Hund machte einen Ausfallschritt, der Griff ging ins Leere, und der Schupo landete auf dem Boden.
»Behandeln Sie das Tier vorsichtig, das ist ein Rassehund. Und bestimmt nicht billig. Gehört einer Filmschauspielerin. «
»Das soll ein reinrassiger sein?« Der Schupo rappelte sich wieder auf. »So einen Hund hab ich noch nie gesehen.«
»Ein Bouvier. Kommt aus Belgien. Wie sein Frauchen.«
»Der benimmt sich ja, als sei er immer noch sauer auf die Preußen wejen vierzehnachtzehn.«
»Wir können ihn austricksen«, sagte Rath. »Mich mag er.«
Er griff zu der Leine auf dem Schreibtisch und beugte sich nach unten. »Na, komm her, Kirie«, sagte er, und der Hund kam angelaufen. Stupste ihn mit seiner feuchten Nase an und wollte mit ihm spielen. Ohne Probleme konnte Rath die Leine am Halsband befestigen. »So«, sagte er zu dem Schupo und reichte ihm die Lederschlaufe. »Jetzt gehört er Ihnen.«
»Die Firma dankt! Dann wollen wer mal.«
Der Hund merkte sofort, was geschah. Kaum hatte die Leine den Besitzer gewechselt, begann er zu bellen und jaulen, sträubte sich mit aller Gewalt gegen das Geschirr.
»Mensch, ist der schon stark«, wunderte sich der Schupo, der alle Mühe hatte, den Hund zur Tür zu schleifen. Kirie jaulte und bellte und winselte so laut, dass die Voss hereinkam.
»Was ist denn hier los?«, wollte die Sekretärin wissen. »Mensch, det arme Tier, wat machense denn da?«
»Det kenn ick schon«, sagte der Schupo, über dessen Säufernase es inzwischen feucht glänzte. »Aber keene Bange! Wenn der erst mal im Zwinger sitzt, wird sich det jeben.«
»Sie Unmensch! Sagen Sie doch auch mal was, Herr Kommissar!«
»Aber Fräulein Voss! Der Mann macht doch nur seine Arbeit!« »Arbeit? Tierquälerei ist
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