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Der Tag an dem ich erwachte

Der Tag an dem ich erwachte

Titel: Der Tag an dem ich erwachte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emilia Miller
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sechzehn war und bei der Anrede „Misses“ stolz ihren dürren Rücken straffte, auf dem sich die Schulterblätter scharf abzeichneten. Er hinterließ ihr ein großzügiges Trinkgeld, und sie schenkte uns ein aufrichtig glückliches Lächeln, das ihre Zahnspange entblößte.
    Wir klapperten eine Schule nach der anderen ab, viele gab es in dem Kaff nicht. Ryan blieb bei seiner Urversion: Wir suchten nach unserem verlorenen Sohn und hofften, ihn durch die Frau zu finden, die er geheiratet hatte: Gail Schneider. Man begegnete uns stets mit größtem Respekt und Mitgefühl, doch das Ergebnis war immer gleich: Nichts. Kein Treffer.
    „Es tut mir so leid, Mister Gonzales. Ich wünschte, ich hätte mehr für Sie tun können. Alles Gute für Sie und Ihre Familie!“
    Auch in den sämtlichen Cafés und Restaurants kannte man eine Gail Schneider nicht. Ryan ließ sich nicht davon entmutigen und beschrieb mein Erscheinungsbild: „Eine große, schlanke Frau, sehr groß, fast wie Mann, aber Figur gut, Beine lang, Brust groß. Haare dunkel, lang. Augen grau mit blau, groß. Gesicht hübsch. Nase klein, Lippen groß. Sie diese Frau kennen, senior?“
    „Nein, Sir, kennen wir nicht! Aber so, wie Sie sie beschreiben, darf sie sich jederzeit bei uns bewerben, wir stellen sie sofort ein!“
    „Ach was, Paps“, kicherte der pubertierende Sohn des Wirtes, „so, wie der Mann da die Frau beschreibt, würde ich sie glatt heiraten!“
    „Und ich dir meinen Segen geben, Junior“, wieherte sein Vater vergnügt, bevor er sich wieder an „Pedro“ wandte: „Sie haben es gehört, mein Bester! Wir kennen die Person, nach der Sie suchen, nicht. Aber Sie haben uns den Tag versüßt, welchen Drink darf ich Ihnen spendieren?“
    So ging es weiter, mit unwesentlichen Abweichungen, bis wir, völlig erschöpft, wieder nach London fuhren. Wir checkten in dem gleichen Hotel ein, in dem wir nach unserer Ankunft übernachtet hatten, stärkten uns mit Sandwiches und heißem Tee mit viel Milch und streckten uns müde auf dem Bett aus.
    „Ich glaube, ich nehme ein Bad“, sagte ich gähnend.
    „Das ist eine gute Idee, Schatz. Lass mich vorher kurz duschen“, bat er. Ich wartete geduldig, bis er fertig war, und, als ich ins Badezimmer ging, stellte ich dankbar fest, dass er das Wasser für mich bereits eingelassen hatte. Während ich den warmen, seidigen Schaum auf meiner Haut genoss, hörte ich, wie Ryan telefonierte. Da ich immer wieder heißes Wasser nachgoss, um die Temperatur schön warm zu halten, konnte ich nicht hören, was er sagte, nur, dass er fast während des ganzen Gesprächs ziemlich laut lachte. Da ahnte ich schon, wer sein Gesprächspartner war. Partnerin, korrigierte ich mich schläfrig, die „gute, alte Alice“. Als ich in ein großes Handtuch gewickelt aus dem Bad kam, war Ryan viel besser gelaunt als noch vor wenigen Minuten. Er klopfte auf die Stelle neben sich im Bett, und ich folgte seiner Geste wie ein braves Hündchen.
    „Gail, es gibt gute Neuigkeiten!“, strahlte er mich an, „der Plan ist aufgegangen. Mills ist verliebt, wahrscheinlich zum ersten Mal in seinem ganzen erbärmlichen Leben. Und Alice ist stinksauer! Sie meinte, dass ich nach diesem Gefallen, den sie gerade für mich tut, nun gar nichts mehr gut bei ihr habe, sondern umgekehrt. Selbst, nachdem ich ihr versicherte, dass ich bereits einen Check für sie ausstellte, der sie für ihren Verdienstausfall während ihrer Romanze mit Mills (er kicherte sarkastisch) mehr als entschädigen wird, war sie alles andere als besänftigt. „Das kannst du mit keinem Geld dieser Welt wiedergutmachen, Ryan, du verdammter Mistkerl!“, sagte sie, „der Typ ist absolut widerlich! Er ist fett, hässlich, schwitzt und stinkt aus dem Maul. Und er klammert. Und er ist notgeil, er will die ganze Zeit! Heute habe ich angeblich meine Tage bekommen, so habe ich wenigstens für den Rest dieser Woche meine Ruhe. Obwohl er trotzdem an mir klebt wie ein Abszess. Er ruft mich zehnmal am Tag an und schickt mir jede halbe Stunde eine SMS. Und schickt Blumen, die extra für ihn gezüchtet sein müssen: Sie stinken fast genauso eklig wie er. Was meinst du, wie lange du noch brauchst, Ryan? Lange halte ich es nicht mehr aus, das meine ich ernst!“ Die Arme muss ihn nicht nur ertragen, sie muss ihm auch noch eine heftige Verliebtheit vorspielen. Ich habe ein verdammt schlechtes Gewissen… Aber was soll’ s, Alice ist ein tapferes Mädchen, sie wird es schon schaffen! Ich musste ihr

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