Der Talisman
Klasse gekommen, waren unterwegs auf den Straßen, haben uns herumgetrieben, haben uns Ärger aufgehalst – sag es uns – sag es uns …
Ganz plötzlich, völlig unvermutet, kreischte Gardener ins Mikrophon: »Er bedeutet: GERATET NICHT INS SCHWITZEN!«
Wolf fuhr zusammen und stöhnte leise.
»Jetzt wisst ihr, was er bedeutet, nicht wahr? Den Ausdruck habt ihr schon gehört, nicht wahr?«
»Ja!« rief jemand hinter Jack.
»OH JA!« wiederholte Sunlight Gardener erfreut. »GERATET NICHT INS SCHWITZEN! SCHWEISS IST SCHLECHT! Das sind gute Worte, nicht wahr, Jungen? Das sind wirklich gute Worte, OH JA!«
»Ja! … JA!«
»Dieser Psalm sagt, ihr braucht euch wegen der Bösen keine SORGEN zu machen! Braucht nicht INS SCHWITZEN ZU GERATEN! OH JA! Er sagt, ihr braucht euch wegen der Sünder und Übeltäter keine SORGEN zu machen! SCHWEISS IST SCHLECHT! Dieser Psalm hier sagt, wenn ihr mit dem Herrn GEHT und zum Herrn STEHT, DANN IST ALLES IN BESTER ORDNUNG! Versteht ihr das, Jungen? Habt ihr ein Ohr dafür?«
»Ja!«
»Halleluja!« rief Heck Bast mit frommem Lächeln.
»Amen!« erwiderte ein Junge mit großen, trägen Augen hinter dicken Brillengläsern.
Sunlight Gardener ergriff mit gekonnter Beiläufigkeit das Mikrophon, und Jack musste wieder an einen Star-Auftritt in Las Vegas denken. Gardener begann mit schnellen, geschmeidigen Schritten hin und her zu gehen. Manchmal vollführte er mit seinen sauberen weißen Lederschuhen einen halben Tanzschritt; jetzt war er Dizzy Gillespie, nun Jerry Lee Lewis, nun Stan Kenton, nun Gene Vincent; vom Swingfieber befallen, legte er Zeugnis ab für Gott.
»Nein, ihr braucht euch nicht zu fürchten! Oh nein! Ihr braucht euch nicht vor dem jungen zu fürchten, der euch schmutzige Bilder zeigen will! Ihr braucht euch nicht vor dem jungen zu fürchten, der behauptet, eine einzige Zigarette, ein einziger Joint würde euch nicht schaden, und ihr wäret Schlappschwänze, wenn ihr es nicht tätet! Oh nein! DENN WENN IHR DEN HERRN IN EUCH TRAGT, DANN GEHT IHR MIT DEM HERRN – HABE ICH RECHT?«
»JA!!!«
»OH JA! UND WENN IHR DEN HERRN IN EUCH TRAGT, DANN STEHT IHR ZUM HERRN – HABE ICH RECHT?«
»JA!«
»ICH KANN EUCH NICHT HÖREN. HABE ICH RECHT?«
»JA!!!!« Sie schrien es heraus, und viele von ihnen schaukelten vor Erregung vor und zurück.
»WENN ICH RECHT HABE, DANN SAGT HALLELUJA!«
»HALLELUJA!«
»WENN ICH RECHT HABE, DANN SAGT OH JA!«
»OH JA!«
Sie schaukelten vor und zurück. Jack und Wolf waren hilflos – sie wurden mitgeschaukelt. Jack sah, dass einige der Jungen weinten.
»Und nun sagt mir«, fuhr Sunlight Gardener fort und blickte sie freundlich und vertrauensvoll an. »Ist hier im Sunlight-Heim Platz für irgendwelche Übeltäter? He? Was meint ihr?«
»Nein, Sir!« rief der dünne Junge mit den vorstehenden Zähnen.
»So ist es«, sagte Sunlight Gardener und kehrte zum Pult zurück. Er schwenkte das Mikrophon kurz und professionell zur Seite, um das Kabel nicht unter die Füße zu bekommen, dann schob er es wieder in seine Halterung. »So ist es. Hier ist kein Platz für Lügenschwätzer und andere Übeltäter, sagt Halleluja.«
»Halleluja«, erwiderten die Jungen.
»Amen«, pflichtete Sunlight Gardener ihnen bei. »Der Herr sagt – im Buch Jesaja sagt er es –, dass die, die des Herrn harren, neue Kraft bekommen – oh ja! –, dass sie auffahren mit Flügeln wie Adler, dass sie laufen und nicht matt werden, dass sie wandeln und nicht müde werden, und ich sage euch, Jungen, DASS DAS S UNLIGHT-HEIM EIN ADLERNEST IST - KÖNNT IHR DAZU OH JA SAGEN?«
»OH JA!«
Wieder folgte eine Zäsur. Sunlight Gardener umfasste die Kanten des Pultes, senkte den Kopf wie zum Gebet, sein prachtvolles weißes Haar hing in wohlgeordneten Wellen herab. Als er wieder zu sprechen begann, war seine Stimme leise und grüblerisch. Er blickte nicht auf. Die Jungen hörten atemlos zu.
»Aber wir haben Feinde«, sagte Sunlight Gardener schließlich. Es war kaum mehr als ein Flüstern, aber das Mikrophon fing es auf und übertrug es ganz deutlich.
Die Jungen seufzten – das Rascheln des Windes in Herbstlaub.
Heck Bast schaute sich wütend um, mit rollenden Augen und so dunkelrot glühenden Pickeln, dass es schien, als sei er von einem tropischen Fieber befallen. Zeigt mir einen Feind, besagte Heck Basts Gesicht. Ja, nur zu, zeigt mir einen Feind, dann werdet ihr sehen, was mit ihm passiert!
Gardener blickte auf. Jetzt schienen Tränen in seinen Augen zu
Weitere Kostenlose Bücher