Der Teufel trägt Prada
Veranstaltungen finden immer auf Englisch statt. Es ist keine Übersetzung nötig. Also, Sie schreiben mit, ja?«
»Ja, ja, ich schreibe mit«, murmelte ich. Eigentlich meine allererste Chance, Miranda zu beweisen, dass ich noch zu mehr taugte als bloß zum Kaffeeholen – aber in der Hektik ging diese Erkenntnis total unter.
Nachdem ich aufgelegt und das Ganze in Rekordgeschwindigkeit heruntergetippt hatte – Schreibmaschineschreiben war so ziemlich das einzige sinnvolle Fach meiner gesamten High-School-Zeit gewesen -, überschlug ich, dass Miranda zum Ablesen höchstens drei Minuten brauchen würde. In wilder Hast leerte ich ein halbes Fläschchen San Pellegrino und schlang dazu ein paar Erdbeeren hinunter, die ein wohlmeinender Zeitgenosse auf meiner Minibar deponiert hatte. Ein Cheeseburger wäre mir lieber gewesen , dachte ich. Irgendwo in meinem Gepäck, das sauber aufgestapelt in der Ecke stand, war ein Twix verstaut, aber ich hatte keine Zeit mehr, danach zu fahnden. Seit Erhalt meines Marschbefehls waren exakt 40 Minuten verstrichen: Nun stand die Probe aufs Exempel an.
Ein wieder anderes, aber nicht weniger verschreckt wirkendes Zimmermädchen führte mich in den Wohnraum. Natürlich hätte ich stehen bleiben sollen, doch die Lederhose, aus der ich seit gestern nicht mehr herausgekommen war, klebte mir förmlich an den Beinen, und die Riemchensandalen – im Flugzeug noch kein großes Problem – schienen sich mittlerweile in lange, biegsame Rasierklingen verwandelt zu haben, die gnadenlos in Fersen und Zehen einschnitten. Also beschloss ich, auf den schwellenden Polstern der Couch Platz zu nehmen. Kaum hatten
meine schmerzenden Knie dankbar nachgegeben und meine Pobacken mit dem Kissen Bekanntschaft geschlossen, als auch schon Mirandas Schlafzimmertür aufflog und ich mich instinktiv wieder hochrappelte.
»Wo ist meine Ansprache?«, fragte sie automatisch bei meinem Anblick; in ihrem Schlepptau befand sich ein weiteres Zimmermädchen, das ihr einen einzelnen, vergessenen Ohrring nachtrug. »Sie haben doch wohl etwas aufgesetzt?« Sie trug eines ihrer klassischen Chanel-Kostüme – Rundkragen mit Pelzbesatz – und eine mehrreihige Kette aus ungewöhnlich großen Perlen um den Hals.
»Aber natürlich, Miranda«, sagte ich stolz. »Ich denke, es wird passen.« Nachdem sie keine Anstalten machte, sich des Blattes zu bemächtigen, ging ich zu ihr hin, doch bevor ich es ihr noch hinhalten konnte, riss sie es mir aus der Hand. Erst als ihre Augen nicht mehr über das Papier huschten, fiel mir auf, dass ich die ganze Zeit den Atem angehalten hatte.
»Gut. Es ist gut. Mit Sicherheit nichts Bahnbrechendes, aber so weit, so gut. Gehen wir.« Sie hängte sich eine passende, gesteppte Handtasche von Chanel über die Schulter.
»Pardon?«
»Ich sagte, gehen wir. Diese alberne kleine Veranstaltung beginnt in 15 Minuten, und mit etwas Glück sind wir in 20 wieder draußen. Dergleichen hasse ich wirklich wie die Pest.«
Meine Ohren trogen mich nicht: Sie hatte »Gehen« und »wir« gesagt, also sollte ich mit. Ich starrte an mir herunter und dachte: wenn sie – offensichtlich, sonst hätte sie was gesagt – kein Problem mit den Lederhosen und dem passenden Blazer hatte, wer war ich dann, mir darüber Gedanken zu machen? Vermutlich würden Heerscharen von Assistentinnen um ihre Chefinnen herumscharwenzeln, und was wir dabei trugen, interessierte letztlich keine Menschenseele.
Der »Salon« war, genau wie von Briget beschrieben, ein typischer Veranstaltungsraum mit ein paar Dutzend runden Tischchen
und einem leicht erhöhten Podiumsbereich. Ich verzog mich ganz nach hinten und sah mir dort mit diversen anderen Kolleginnen einen megaöden, total uninteressanten Videoflop an, in dem es darum ging, auf welche Weise die Mode unser aller Leben beeinflusst. In der darauf folgenden halben Stunde hielten etliche weitere Leute das Mikrofon in Beschlag, und dann, bevor auch nur die erste Preisverleihung in Angriff genommen worden war, trat eine ganze Armee von Kellnern mit Salatschälchen und Weingläsern auf den Plan. Ich warf ahnungsvolle Blicke Richtung Miranda, die es fertigbrachte, gleichzeitig gelangweilt und gereizt zu wirken, und verdünnisierte mich so gut wie möglich hinter dem eingetopften Baum, der mir bislang beim Kampf gegen den Schlaf tröstlichen Halt geboten hatte. Keine Ahnung, wie oft mir die Augen schon zugefallen waren, bis auch meine Nackenmuskeln endgültig den Dienst aufkündigten und mir das
Weitere Kostenlose Bücher