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Der Teufel von Garmisch

Der Teufel von Garmisch

Titel: Der Teufel von Garmisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Schueller
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beseitigen.«
    »Siehst du, das dachte ich mir. Und wo?«
    Es klopfte einmal an der Tür, dann wurde sie aufgestoßen. Hansi
Fellerer stand im Rahmen.
    »Was sollte das denn grade?«, bellte er.
    Sebastian zeigte auf das Handy an seinem Ohr, aber Hansi trat
ungerührt ins Büro und schloss die Tür hinter sich.
    »Ich telefoniere«, sagte Sebastian.
    »Dann mach’s kurz. Ich hab ’ne Frage.«
    »Kannst du mich bitte allein lassen? Ich meld mich, wenn ich fertig
bin.«
    Hansi sah ihn gelinde erstaunt an. Er war es nicht gewohnt, dass
einer seiner Wünsche von Sebastian nicht sofort erfüllt wurde. Und schon gar
nicht aus offensichtlich privaten Gründen.
    »Na gut«, sagte er und tippte dabei auf sein Handgelenk. »Es eilt
aber.«
    Damit ging er hinaus. Die Tür ließ er offen – wie meistens, wenn er
aus Sebastians Büro ging.
    »Ich habe dir eine Frage gestellt«, sagte die Stimme, ohne auf die
Unterbrechung einzugehen.
    »Was soll ich sagen? Ich wollte die Spuren beseitigen, die ich
hinterlassen habe«, sagte Sebastian, stand auf und schloss die Tür.
    »Das ist albern«, sagte die Stimme. »Du hast doch keine Ahnung, wo
du überall Spuren hinterlassen hast. Ich weiß das. Du nicht.«
    Die Verbindung wurde unterbrochen, aber Sebastian merkte auf: Da war
ein Geräusch gewesen, unmittelbar bevor der Unbekannte aufgelegt hatte. Ein
Laut. »He-se«, so etwa. Ein überraschender Klang, den er nicht zuordnen konnte.
Ein hohes Geräusch, piepsig, aber irgendwie gedämpft. Eine Kinderstimme?
    Langsam legte er das Handy wieder auf den Tisch. Der Mörder war
nicht allein. Jemand war in seiner Nähe.
    Er hatte ihn sich bisher immer als kalten, einsamen Jäger
vorgestellt. Allein und geschützt durch seine Boshaftigkeit. Ein Monster, das
im Dunkel auf Beute lauerte.
    Das war er gewiss auch – denn das, was er Sanne angetan hatte, ließ
daran keinen Zweifel.
    Aber plötzlich gab es da noch eine ganz andere Vorstellung: ein
Mann, der allein in einem Raum hockte und hoffte, nicht erwischt zu werden. Ein
Monster, das aber eben nicht geschützt war durch Boshaftigkeit, sondern durch
etwas anderes. Durch Mimikry. Durch Normalität.
    Durch Feigheit.
    Der Mörder hatte etwas zu verlieren. Sebastian merkte, dass sein
Atem schneller ging. Wenn überhaupt irgendwo, dann lag hier eine Chance für
ihn.
    Wieder öffnete sich die Tür, dieses Mal ohne ein Klopfen, und wieder
war es Hansi Fellerer.
    »Bist du fertig, Milli? Ich hab ’ne dringende Frage.«
    Sebastian hatte eine Ahnung, auf welchem Niveau sich die Frage
bewegen würde, und er irrte sich nicht.
    »Ich brauch mal eben die maximale Biegeleistung einer Hambi do 40-10
für Zehn-Millimeter-Stäbe. Bei ’nem dreißiger Dorn.«
    Eigentlich durfte er Hansi gar nicht böse sein. Sebastian war stolz
gewesen anfangs, wenn die Kollegen davon ausgingen, dass er solche Sachen
wusste. Und er wusste sie ja auch – vierzig lautete die Antwort. Aber einige,
allen voran Hansi, hatten bald angefangen, es für selbstverständlich zu nehmen,
dass er die Informationen für sie beschaffte, für die sie sonst hätten
nachschauen müssen. Hansi hätte auf Anhieb wahrscheinlich nicht mal gewusst,
wo.
    »Hast du das im Kopf, oder musst du das nachgucken?«, fragte er
ungeduldig, als Sebastian nicht reagierte.
    »Ich glaub, ich hab es im Kopf«, sagte Sebastian. »Die Antwort
lautet: R - F - M .«
    » RFM ? Was soll das denn? Ich hab nach –«
    » READ THE FUCKING MANUAL !« , blaffte Sebastian ihn an. »Servus.«
    Hansi stand noch einen Moment lang unentschlossen in der Tür, dann
sagte er »Vielen Dank, Herr Kollege « und verschwand,
nicht ohne die Tür sorgsam hinter sich zu schließen.
    Sebastian nahm seine Brille ab und begann, die Gläser zu putzen. Zu
einer anderen Zeit hätte er sich sehr über sich selbst gewundert.
    * * *
    Intelligenz allein ist zu wenig. Intelligenz
ist nur ein Werkzeug. Man muss es zu nutzen verstehen. Ein intelligenter Mensch
ohne Ehrgeiz wird kaum irgendwohin gelangen, ebenso wenig einer mit Skrupeln.
Überhaupt nirgendwohin gelangt ein Mensch ohne Ziel. Das mag trivial klingen,
aber es wird oft vergessen. Ein Ziel ist nicht nur wichtig. Ein Ziel ist
Schönheit. Aus sich selbst, seiner schieren Existenz heraus, ist es schön. Es
ist eine transzendente Schönheit, die jedem Ziel innewohnt. Auch wenn dieses
Ziel eine abgefeuerte Kugel ist, die in einen Schädel eindringt.
    * * *
    »Verheirat’? I?« Der kleine Mann lachte auf.
    Er stand mit verschränkten Armen in

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