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Der Thron der roten Königin

Der Thron der roten Königin

Titel: Der Thron der roten Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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er mich im ersten Jahr meiner Witwenschaft träfe, die achtundzwanzigjährige, äußerst vermögende Erbin des Hauses Lancaster, bereit, sich wieder zu verheiraten. Vielleicht würde er es bereuen, eine Niemand gewählt zu haben.
    Doch von Jasper kommt keine Nachricht, die mich zu ihm ruft, die mich bittet, die Sicherheit Englands gegen ein gefährliches und entbehrungsreiches Leben mit ihm in der Bretagne einzutauschen. Vielmehr schreibt er noch einmal, dass der Herzog der Bretagne ihm und Henry Schutz versprochen hat. Er bittet mich nicht, zu ihm zu kommen. Er sieht nicht, dass das unsere Chance ist, unsere einzige Chance, und ich verstehe sein Schweigen sehr gut. Er hat sein Leben ganz der Erziehung meines Sohns gewidmet, damit Henry seinem Namen und seinem Land einmal gerecht wird. Er wird dies nicht gefährden, indem er mich heiratet und wir alle drei zusammen im Exil leben. Er braucht mich hier, in England, um Henrys Erbe zu wahren, seine Ländereien zu verwalten und seine Interessen zu verfolgen. Jasper liebt mich, das weiß ich, aber es ist, wie er sagt, eine höfische Liebe, aus der Ferne. Ihm scheint die Ferne nichts auszumachen.
    Ich erhalte meine Mitgiftgüter zurück und mache mich daran, Auskünfte über sie einzuholen. Ich lasse die Landverwalter zu mir kommen, damit sie mir erklären, wie Gewinne erwirtschaftet werden können. Mein Gemahl hat sie immerhin in ordentlichem Zustand erhalten, er war ein guter Grundbesitzer, wenn er auch keine besonderen Führungseigenschaften besaß. Ein guter englischer Grundbesitzer, wenn auch kein Held. Als Gemahlin trauere ich nicht um ihn, wie Anne Devereux um ihren Gemahl William Herbert getrauert hat. Sie hat ihm versprochen, sich nie wieder zu verheiraten, und geschworen, ins Grab zu gehen in der Hoffnung, ihn im Himmel wiederzusehen. Ich nehme an, sie liebten sich auf die eine oder andere Weise, obwohl ihre Ehe arrangiert wurde. Ich nehme an, sie haben in ihrer Ehe eine Art der Leidenschaft gefunden. Das ist selten, aber nicht unmöglich. Ich hoffe, sie haben meinem Sohn keine Flausen in den Kopf gesetzt, er müsse seine Gemahlin lieben, denn ein Mann, der König werden soll, kann nur um des Vorteils willen heiraten. Eine vernünftige Frau würde immer nur heiraten, um ihre Familie voranzubringen. Nur eine lüsterne Närrin träumt jede Nacht von einer Liebesheirat.
    Sir Henry mochte bei mir auf mehr als pflichtgetreue Zuneigung gehofft haben, doch meine Liebe gehörte bereits meinem Sohn, meiner Familie und meinem Gott, lange bevor wir einander begegnet sind. Von Kindheitstagen an wollte ich ein zölibatäres Leben führen, und meine beiden Gatten konnten mich nicht verführen, mich von meiner Berufung abzuwenden. Henry Stafford war eher ein Mann des Friedens denn der Leidenschaft, und in seinen späten Jahren war er ein Verräter. Doch, wenn ich ganz ehrlich bin, stelle ich jetzt, da er fort ist, fest, dass ich ihn mehr vermisse, als ich mir je hätte vorstellen können.
    Ich vermisse seine Gesellschaft. Das Haus kam mir wärmer vor, wenn er zu Hause war, und er war ja immer zu Hause – wie ein geliebter Hund, der vor dem Kamin liegt. Ich vermisse seinen stillen, trockenen Humor, seine Nachdenklichkeit und seinen gesunden Menschenverstand. In den ersten Monaten meiner Witwenschaft brüte ich über seinem Rat, ich solle mich damit versöhnen, dass ein Sohn von York auf dem Thron sitzt, dessen Sohn in der königlichen Wiege liegt. Vielleicht sind die Schlachten in der Tat vorbei, vielleicht sind wir am Ende geschlagen, vielleicht ist es meine Aufgabe im Leben, Demut zu erlernen, ohne Hoffnung zu leben. Ein Leben lang habe ich mich an einer streitbaren Jungfrau orientiert, vielleicht muss ich jetzt lernen, eine besiegte Witwe zu sein. Vielleicht ist dies Gottes Wille, auch wenn es mich hart ankommt, und ich sollte lernen, ihm zu gehorchen.
    Als ich allein in meinem schwarzen Kleid durch mein stilles Haus schleiche, spiele ich kurz, ganz kurz nur, mit dem Gedanken, ob ich England nicht den Rücken kehren und uneingeladen bei Jasper und meinem Sohn in der Bretagne erscheinen soll. Ich könnte so viel Mittel mitnehmen, dass wir uns für ein oder zwei Jahre über Wasser halten könnten. Ich würde Jasper heiraten, und wir könnten als Familie zusammenleben. Selbst wenn wir niemals den Thron für Henry beanspruchen würden, könnten wir einen eigenen Haushalt gründen und als königliche Exilanten zusammenleben.
    Ein Traum, den ich mir nicht länger zu träumen

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