Invasionsarmee heranzurollen.
»Das Fest fing so um zwei Uhr an«, sagte sie. »Komische Zeit, weder Mittag- noch Abendessen, aber gegen Ende August kann es nach fünf Uhr schon kühl werden, und es mag keiner, wenn dann alle um den Grill stehen müssen, um warm zu werden …«
Ihre Stimme verlor sich. Novello dachte, es läge daran, dass sie wieder an das Bild der toten Frau im Grill denken musste, doch als Charley sich ihr wieder zuwandte, zeigte sich in ihrer Miene nicht Schmerz, sondern Verwirrung.
»Es klingt blöd«, sagte sie. »Ich bemühe mich wirklich, aber ich kann mich kaum noch an was erinnern. Verrückt. Ich bin danach hierhergekommen – Mary wollte die Kinder so schnell wie möglich fortschaffen; kann man ihr nicht verdenken –, und nachdem wir sie hier hatten, bin ich sofort hoch, hab mich an meinen Laptop gesetzt und meiner Schwester eine Mail geschrieben, ich musste einfach mit jemandem reden, nicht reden, Sie verstehen schon, sondern es loswerden, bei jemandem, der mir nahesteht. Cass, das ist meine Schwester, wir haben uns immer alles erzählt, als wir noch klein waren, das machen wir immer noch, obwohl sie jetzt als Krankenschwester in Afrika arbeitet. Also habe ich alles rausgelassen, das war es wahrscheinlich, ich habe alles rausgelassen und bin es losgeworden, und jetzt ist es nicht mehr in meinem Kopf! Klingt das verrückt?«
»Sie sind die Psychologin«, sagte Novello. »Aber es spielt keine Rolle. Wenn Sie alles in Ihrer Mail aufgeschrieben haben, dann müssen wir doch nur die Mail lesen.«
Die scharfen braunen Augen sahen sie eindringlich an.
»Wir?«,
sagte die Frau in einem so kalten Ton, dass sich Novello unweigerlich fragte, ob das eine gute Idee gewesen war.
»Tut mir leid«, sagte sie und hob entschuldigend die Arme. »Wollte nicht in Ihrer Privatsphäre rumschnüffeln. Ich meine nur, Sie könnten die Mail ja noch mal lesen, oder? Das Gedächtnis auffrischen.«
»Ja, das könnte ich.«
Novello erhob sich, damit sich Charley an den Toilettentisch setzen konnte. Sie klappte den Laptop-Deckel hoch und rief die Liste der versandten E-Mails auf. Novello erfasste sofort, dass die meisten an
[email protected] adressiert waren. Charlotte klickte auf die letzte in der Reihe, betrachtete sie einen Augenblick und stand dann auf.
»Wie dumm von mir«, sagte sie. »Die arme Frau ist tot, und ich sorge mich um den Schutz meiner Privatsphäre. Hier, lesen Sie selbst. Ist sowieso besser, dann sehen Sie auch gleich die Lücken, die Sie gern gefüllt hätten.«
»Sie sind sich sicher?«, sagte Novello, während sie bereits auf den Stuhl glitt.
Sie las schnell. »Wow«, sagte sie dann.
»Was?«
»Die beiden, die in der Höhle vögeln. Das sind …«
»Teddy Denham, das heißt Sir Edward, Lady D.s Neffe. Und Clara Brereton, ihre Cousine zweiten Grades, die in der Hall wohnt. Sie müssen doch da nicht nachgraben, oder?«
Sie klang alarmiert.
»Nicht, wenn es nicht relevant ist«, versicherte ihr Novello, die sich insgeheim dachte:
Zwei enge Verwandte mit einer engen Beziehung? Mal abwarten, bis wir das Testament sehen!
Noch etwas hatte ihre Aufmerksamkeit erregt.
»Dieser Typ im Rollstuhl, Franny Roote. Ist das ein Einheimischer?«
»Nein, bestimmt nicht, obwohl er schon eine ganze Weile hier zu wohnen scheint. Ich nehme an, er wurde im Avalon behandelt, das ist die Klinik außerhalb der Stadt.«
Franny Roote. Novello erinnerte sich an einen Franny Roote – Pascoes Franny Roote, wie sie ihn nannte. War das dieser Kerl hier? Und wusste der DCI , dass er sich in Sandytown aufhielt? Konnte hübsche Pluspunkte geben, wenn sie die Neuigkeiten überbrachte. Andererseits musste der Name auch auf der Gästeliste auftauchen, die sich in Wields Besitz befand, und seinen scharfen Augen dürfte der Name kaum entgangen sein. Wie auch immer, könnte natürlich auch sein, dass Pascoe Rootes Anwesenheit als schlechte Neuigkeit aufnahm, für deren Übermittlung man dann keinen Preis gewann.
Sie stellte noch wesentlich mehr Fragen und machte sich Notizen. Dabei erfuhr sie, wie Heywood nach Sandytown gekommen war, und erkannte, dass die Geisteshaltung, die die Frau zum Psychologiestudium bewogen hatte, sie auch zu einer scharfen und etwas vorwitzigen Beobachterin menschlichen Verhaltens machte. Vielleicht aber, überlegte sie, beobachtete sie nicht nur, sondern zeichnete auch alles auf?
»Charley«, sagte sie, »… was dagegen, wenn ich Sie Charley nenne?«
»Wenn ich Sie dann Shirl