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Der Tod wirft lange Schatten

Der Tod wirft lange Schatten

Titel: Der Tod wirft lange Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Heinichen
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aus dem Süden.
    Laurenti wurde von Sgubin unterbrochen.
    »Ich bin mit den Fotos durch.«
    »Fotos?«
    »Die du an der Marina di Aurisina geschossen hast.«
    Laurenti hob die Augenbrauen. »Und?«
    »Schau sie dir an«, sagte Sgubin und legte ihm die Abzüge auf den Tisch. »Die beiden Frauen sind in der Kartei nicht zu finden. Wahrscheinlich nur kleine Fische, die für den Transport benutzt werden. Aber der hier stammt aus Orsera, wir haben ihn schon öfter zu Gast gehabt. Gefälschte Dokumente, Diebstahl, Schmuggel – Kleinigkeiten. Einmal unerlaubter Waffenbesitz. Er hat die paar Monate im Coroneo abgesessen und soll sich danach als Söldner verpflichtet haben. Über diese beiden hier war nichts zu finden, aber der da ist einer deiner besonderen Freunde. Rufname Ciano, Kroate aus Dalmatien mit italienischen Vorfahren. Er wird dem Umfeld von Petrovac zugerechnet. Die Liste der Tatvorwürfe ist lang. Außerdem liegt ein rechtskräftiges Urteil aus Ancona vor. Viereinhalb Jahre wegen Zuhälterei. Wenn wir ihn schnappen, sitzt er.«
    Laurenti kannte den Namen seit langem. Er schaute sich das Gesicht des Mannes auf der Vergrößerung an und verglich es mit dem Ausdruck des Fahndungsfotos. Es war eindeutig. Diesem Typen auf den Fersen zu bleiben, um an die alte Kundschaft heranzukommen, hinter der er seit Jahren vergebens her war, könnte lohnen. Manche Begegnungen im Leben sind verhängnisvoll und trotzdem völlig unromantisch. Man wird sie nie wieder los. Wie Schatten hängen sie sich an und folgen einem auf Schritt und Tritt, doch wenn man glaubt, man müßte nur nach ihnen greifen, sind sie plötzlich weg. Laurenti kratzte sich nachdenklich am Kopf. Wo Petrovac war, da stank es auch nach Viktor Drakič. Die Vorstellung, wegen der Wichtigtuer vom Geheimdienst gerade von diesem Fall die Finger lassen zu müssen, war unerträglich.
    »Gut gemacht«, sagte Laurenti und steckte die Unterlagen in einen Umschlag.
    »Und jetzt?« fragte Sgubin.
    »Toute de suite«, sagte Laurenti und griff zum Telefon.
    Er rief den Staatsanwalt an und fragte behutsam nach, ob der genausowenig von der Sache wußte wie seine kroatische Kollegin Živa Ravno. Ließ auch Scoglio sich vom Geheimdienst auf der Nase herumtanzen? Der Staatsanwalt antwortete ausweichend. Er sei nur darüber informiert, daß sich etwas tue, aber man habe ihm nicht gesagt, was.
    Laurenti vertiefte sich wieder in die Akte Perusini. Der Mann hatte ein perfektes Doppelleben geführt. Im Friaul war er der von allen respektierte elegante, steinreiche Forscher und Weinkenner gewesen, in Triest hingegen hatte er sich außerhalb der Universität als »Düngemittelvertreter Mario« getarnt und die Schwulentreffpunkte entlang der Rive und um den Bahnhof herum frequentiert. Und noch ein Ort gehörte dazu. Laurenti pfiff durch die Lippen, als er es sah. Die »Bar Sport« in Servola. Auch hier hatte sein Vorgänger wegen eines anonymen Hinweises intensivste Ermittlungen geführt. Allein darüber gab es ein Konvolut von gut zwanzig Vernehmungsprotokollen. Laurenti blätterte sie rasch durch und fand, was er bereits vermutet hatte. Auch Calisto und Angelo waren unter den Befragten. Sie räumten ein, diesen »Mario« gekannt zu haben, stritten aber vehement ab, selbst homosexuell zu sein. Beide sagten aus, daß sie Perusini lediglich vom Sehen kannten, aber nie ein Wort mit ihm gewechselt hätten.
    Laurenti machte sich ein paar Notizen. Zwei gezielte anonyme Hinweise, die seinem Vorgänger eine so große Menge an Arbeit bescherten, daß er zu gar nichts anderem mehr kommen konnte. Mit präzisen anonymen Tips ließ sich ein ganzer Apparat lahmlegen. Es wäre leichtfertig, seinem Vorgänger Absicht zu unterstellen. Endlich hörte er Marietta, die vor sich hin schimpfend ins Büro kam. Es war gegen zehn Uhr und sie war viel zu spät.
    »Marietta«, rief Laurenti. Als sie eintrat, verschlug es ihm die Sprache. Sie war aufgetakelt, als wollte sie in einer halben Stunde das Galadiner im Swingerclub eröffnen.
    »Was für eine Eleganz! Ist etwas passiert?« fragte Laurenti.
    »Die Schmierereien auf der Piazza vor dem Rathaus«, sagte Marietta. »Hast du sie gesehen? Ich habe sie aus der Nähe betrachtet.«
    Sie trug ein knappes, ärmelloses Ledertop, das um mindestens einen Knopf zu weit geöffnet war, darunter nackte, nahtlos gebräunte Haut und dazu einen engen weißen Rock, der garantierte, daß sich die Kollegen im Flur ohne Ausnahme nach ihr umdrehen würden, sofern sie sich

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