Der Tod wirft lange Schatten
nimm sie nicht so genau.«
»Als die Logenbrüder damals den Umsturz planten, gab es Gott sei Dank Kollegen, die es sehr genaugenommen haben. Sonst hieße unser Präsident jetzt Licio Gelli.« Laurenti gab nicht so schnell auf, wie Galvano hoffte.
»Gelli, Berlusconi, wo ist der Unterschied? Aber du begreifst immer noch nicht. Unter den Malteserrittern findest du alle illustren Namen der High-Society, nicht nur der alte Adel aus Italien, Deutschland, Frankreich und so weiter. Angeblich auch Andreotti, Agnelli, Gott hab ihn selig, und früher auch Abs von der Deutschen Bank, das ganze Abc. Sogar ein Chef der CIA war Mitglied und derjenige der OSS, der Vorgängerorganisation. Alles ehrenwerte Ritter. Als sie nach dem Krieg den ersten italienischen Geheimdienst gründeten, brauchten sie eine Vertrauensperson hinter den Kulissen. Jemand, der als Koordinator für sie fungierte. Die Amis wollen ja nicht, daß irgend etwas passiert, was sie nicht kontrollieren können. Und wer war das? Ein ehemaliger Faschist, der an Francos Seite gekämpft hatte, dann plötzlich eine SS-Uniform trug und Partisanen an die Deutschen verriet. Einer, der schließlich nach dem Krieg kurz in Argentinien aushalf, bei Peron. Ebenfalls ein Malteserritter. Und dieser Jemand war darüber hinaus ein Freimaurer, was eigentlich nach den Statuten der Malteser nicht geht. Wie hieß der gute Mann? Da sind wir dann wieder bei Licio Gelli und der P2. Da staunst du! Aber damit du gleich Bescheid weißt: Beschwören würde ich das auf keinen Fall! Der Malteserorden ist diplomatisch von über siebzig Ländern anerkannt. Ein Staat ohne Territorium. Sogar einen Beobachterposten bei der UNO haben die und in Brüssel sitzen sie auch. Hast du endlich verstanden? Sie sind unantastbar. Du verbrennst dir nur die Finger. Übrigens, als Napoleon sie damals aus Malta rausgeworfen hatte, gingen sie ins Exil. Und du wirst kaum glauben, wohin: Nach Triest. 1798 war das.« Der Alte schaute plötzlich auf seine Uhr und sprang abrupt auf. »Ich muß jetzt los, bin schon zu spät. Verzeih. Kannst du ausnahmsweise mal die Rechnung übernehmen?«
Bevor Proteo Laurenti protestieren konnte, war Galvano schon auf den Beinen und zerrte den Hund an der Leine unter dem Tisch hervor. »Auf bald.« Kurz vor dem Ausgang drehte er sich noch einmal um und rief quer durch den Saal: »Ich habe mich geirrt, kein Samenerguß! Er starb ohne.«
Laurenti schoß das Blut ins Gesicht. Alle Blicke waren auf ihn gerichtet. Er schüttelte verärgert den Kopf, legte das Geld auf den Tisch und ging rasch hinaus.
Das alte Ekel. Noch nie hatte Galvano ihn eingeladen. Nicht einmal einen Kaffee hatte er in den letzten Jahren bezahlt und noch nie hatte er wenigstens eine Flasche Wein mitgebracht, wenn die Laurentis ihn nach Hause einluden. Aber der Taubstummen gab er dicke Gelder. Merkwürdig war, daß er es plötzlich so eilig hatte, wo er doch sonst stets den Eindruck vermittelte, über mehr Zeit als alle anderen zusammen zu verfügen. Und auf einmal haute er ab, als würde hinter der nächsten Ecke eine junge Flamme auf ihn warten.
*
»Schau mal, 007, da drüben sitzt einer unserer Stammkunden«, sagte Antonio Sgubin zu seinem Kollegen von der Guardia di Finanza, mit dem er seit langem befreundet war und den er zum Mittagessen traf, um einen Segeltörn übers Wochenende zu verabreden.
»L’Orecchione? Das Riesenohr?« fragte Matteo Bondi, der seit seiner Schulzeit »007« gerufen wurde, es in seinem Beruf aber nie über den Rang des Vicebrigadiere hinaus gebracht hatte, als würde er sich mit aller Kraft gegen jede unvermeidbare Beförderung stemmen. Ganz wie Sgubin, der bis vor ein paar Monaten ebenfalls einen bequemen Job der Karriere vorgezogen hatte, aber immerhin als Assistent von Proteo Laurenti mehr Ansehen genoß und, zu seinem ständigen Bedauern, auch mehr Arbeit hatte.
»Schlechter Kunde, sonst säße er endlich einmal länger ein. Dies ist sein Stammlokal. Liegt wieder etwas gegen ihn vor?« Auch Bondi aß meist hier zu Mittag, wenn nicht gerade ein Einsatz ihn von dieser Gewohnheit abhielt. Sein Kommando der Guardia di Finanza befand sich nur zwei Häuser weiter am Passeggio di Sant’Andrea vor den Toren des Porto Nuovo.
»Auf L’Orecchione ist Verlaß. Du wirst schon sehen, der hält es nicht ewig aus, ohne Mist zu bauen. Wer ist der andere an seinem Tisch?«
Bondi 007 verzog das Gesicht. »Nie vorher gesehen. Sieht aus wie ein Deutscher. Schau nur mal seine Schuhe an und dieses
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