Der Tod wirft lange Schatten
»Wirklich erstaunlich, daß Papà dieses Vieh erlegt hat. So groß wie der ist, hat er bisher alle Gefahren überlebt. Aber wenn erst mal die Polizei kommt... Also, paß auf«, er faßte mit den Daumen zwischen die Tentakel, »dies ist der After, wir stülpen ihn jetzt um wie eine Socke. Willst du das probieren, Santo?«
»Ich weiß, wie das geht. Mach weiter.«
»So, wie wenn du den Arsch meiner Schwester bearbeitest.«
Patrizia stieß ihm den Ellbogen in die Rippen.
»Bist du etwa eifersüchtig?« Santo fummelte eine Zigarette aus einer zerbeulten Packung und steckte sie an.
»Haben die in Pompeji jedenfalls so gemacht«, behauptete Marco und stülpte das Vieh um, so daß eine dunkle, schmierige Materie zum Vorschein kam. »Raus mit der Kacke!«
»In Pompeji aß man Schweineeuter mit Nieren gefüllt und Salat von Nachtigallenzungen. So banales Zeug wie dieses hat man nicht einmal den Sklaven zugemutet«, sagte Patrizia.
»Wenn die wüßten, was sie verpaßt haben. Das ist eine Delikatesse. Santo, wisch die Kacke weg.«
Er hielt den Kraken in das Spülbecken und setzte seine Arbeit fort. Dann trocknete er den Koloß ab. »So, jetzt kommt das Entscheidende. Er ist wunderbar zart, wenn man ihn sehr fein in eine bestimmte Richtung schneidet. Nicht wahr, Santo?«
Marco führte es vor und drückte dann Patrizia das Messer in die Hand. »Hast du eine Kippe, Figaro?«
Santo fummelte das Päckchen MS aus der Hosentasche und zog eine Zigarette heraus.
»Morte Sicura«, kommentierte Marco und zündete sie an. »Wir essen die Bestie zwar erst heute abend, aber es hat einen Grund, daß wir sie jetzt zubereiten. Wie magst du den Kraken am liebsten?«
»Frittiert«, sagte Santo entschieden.
»In ranzigem Öl und dick paniert, der letzte Schrei. Diesen hier essen wir roh!«
»Wie die Japaner? Ich kann Sushi nicht ausstehen.« Santo glaubte ihm nicht.
»Mittelmeer-Sushi. Nur ganz leicht mariniert.« Er reichte seiner Schwester zwei große flache Schalen. »Leg die Scheiben gleichmäßig aus, Schicht für Schicht. Jetzt die Citronette. Mit dem Öl von Starec, aus dem Val Rosandra. Ich hab im Restaurant eine Flasche mitlaufen lassen. Absolute Rarität, kostet achtzig Euro der Liter. Da kannst du eure Öle dagegen vergessen.« Marco drückte den Saft zweier Zitronen in eine andere Schüssel, gab das Öl, schwarzen Pfeffer und kaum Salz hinzu und mischte das Ganze mit dem Schneebesen auf. »Ein Mixer wäre besser«, sagte er, »aber in dieser Küche fehlt es an allem. Immer diese Grillparties. Unsere Eltern kochen zuwenig. Und Mama hat sowieso keine Ahnung.«
Patrizia protestierte. »Das ist nicht wahr, du hast ihr Essen immer gemocht. Nur weil du seit ein paar Wochen in der Restaurantküche zuschauen darfst, wie man so etwas macht, mußt du nicht so blöd reden.«
Marco goß die Marinade über den Kraken, deckte ihn ab und schob die Schalen in den Kühlschrank. »Den müßte auch mal jemand richtig putzen«, sagte er. »Jetzt die Dorade. Wie magst du sie am liebsten?«
»Vom Grill«, sagten Santo und Patrizia wie aus einem Mund.
Marco schüttelte sich. »Da hat man einmal ein solches Vieh ganz frisch, und dann wollt ihr es so zubereiten, wie es alle tun? Nein, auch die Dorade werden wir roh essen. Santo, nimm sie bitte aus.«
Der Friseur nahm das Messer, drehte den Fisch auf die Rückenflosse und stach ihm in den Bauch. Er rutschte ab.
»So macht das nicht einmal ein Killer von der Camorra!« Marco drehte den Fisch auf die Seite. »Leg ihn flach hin und schneide von der Seite. Etwa so tief wie der Reißverschluß an deiner Hose.« Er schaute Santo einen Augenblick zu und schob ihn schließlich zur Seite. »Versuch du es, Patrizia.«
Seine Schwester schlitzte den Fisch auf, als hätte sie es schon hundertmal getan. »Jetzt faß hinein und nimm ihn aus.« Patrizia steckte ihren Finger in den Fisch und wühlte darin herum. Eine grünliche Masse kam zum Vorschein, die sie angeekelt betrachtete.
»Das ist die Galle«, sagte Marco. »Ich glaube, Papà hat dem Vieh einen Tiefschlag verpaßt. Jetzt zieh den Rest raus.«
Marco kommentierte Darm, Leber und Herz und drehte den Fisch ein Stück zu seiner Schwester. »Jetzt kommt die Spezialität. Steck ihm den Finger in den Hintern!«
»Brutto porco«, sagte Patrizia. »Lieber gehe ich in die Altenpflege.«
»Denk an Santo«, sagte er. »Dann geht das schon.« Und als hätte er einen Scherz unter Kumpels gemacht, versetzte er dem Friseur, der sich angeekelt wegdrehte,
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