Der Totenerwecker (German Edition)
das Gesicht, aber das war auch schon alles.
»Sie sagen, Sie haben das alles auf Video?«
»So ist es.«
»Dann sehen wir uns das Band doch mal an.«
Lassiter nickte ihrem Kollegen zu, der einige Augenblicke später mit einem kleinen Rollwagen zurückkam, auf dem ein Fernseher und ein Videorekorder standen. Er schob den Wagen zur Wand, die dem Spiegel gegenüberlag, schloss die Geräte an und schaltete sie ein. Dann legte er das VHS-Tape ein. Gerade als die Wiedergabe startete, kam Josh zu Sarah in den Nebenraum, gefolgt von einer jungen Asiatin im hellbraunen Anzug. Sarah unterstellte, dass es sich um die Staatsanwältin handelte. Josh sah elend aus. Offenbar hatte er während der gesamten Fahrt zur Polizeiwache über das nachgedacht, was Sarah ihm über das Video erzählt hatte.
»Was tut sich da, Sarah?«
»Sie wollen gerade das Video abspielen.«
»Ich bin Patricia Yu, stellvertretende Bezirksstaatsanwältin«, meldete sich die junge Frau zu Wort.
»Hallo, Miss Yu.« Sarah gab ihr die Hand, dann wandte sie sich wieder dem Bildschirm im Verhörraum zu.
Erneut musste Sarah mitansehen, wie Dale sie mit dem Hammer außer Gefecht setzte und dann ihren Mann angriff, ihm mehrfach mit dem Hammer auf den Schädel schlug. Sie beobachtete Josh, während das Band lief. Es war offensichtlich, dass ihm das, was er mitbekam, schwer zu schaffen machte.
»Aber wie kann es sein, dass ich mich an nichts davon erinnere?«
Sarah nahm seine Hand.
»Sieh einfach zu. Es wird noch schlimmer. Viel schlimmer.«
Ihre Augen trafen sich, und es war nicht zu übersehen, dass er nur widerstrebend den Blick von ihr losriss und den Rest des Videos am liebsten nicht angesehen hätte.
Die Aufnahme lief weiter und zeigte, wie Dale ihnen Hand- und Fußgelenke fesselte und zunächst sie und schließlich Josh vergewaltigte. Es endete damit, dass er Josh die Kehle durchschnitt und Sarah das Messer in die Brust rammte.
»Nein.«
Josh drehte sich mit einem verwirrten und geschockten Gesichtsausdruck zu Sarah um. Sein Gesicht flehte sie um Antworten an, und sie fühlte sich hilflos und schuldig, weil sie ihm keine liefern konnte, sich aber irgendwie dazu verpflichtet fühlte. Josh wandte sich ab, um das Ende des Mitschnitts zu sehen.
»Dieser kranke, dreckige ...« Josh hatte die Zähne fest zusammengebissen. Seine Kiefermuskeln traten hervor, als versuchte er, etwas besonders Hartes zu zermalmen. Seine Hände waren zu Fäusten geballt, die Schultern hochgezogen. Adern und Sehnen traten an Unterarmen und Bizeps hervor.
Torres stoppte die Wiedergabe. Josh war knallrot angelaufen, und sein Körper vibrierte buchstäblich vor Hass, der wie elektrischer Strom durch seinen Blutkreislauf floss. Sarah konnte beinahe körperlich spüren, wie die Wut in ihm hochkochte, sich Hitze und Luftfeuchtigkeit wie eine knisternde und knackende Gewitterwolke erhöhten. Durch seine hochgezogenen Lippen drang ein Knurren. Seine Stirn lag in tiefen Furchen, die Nasenflügel bebten. Sarah befürchtete schon, dass er direkt vor ihren Augen einen Nervenzusammenbruch erlitt.
Josh starrte noch immer den Fernseher an, lange nachdem das Bild erloschen war. Sarah legte den Arm um ihn, aber Josh entzog sich ihr, die Augen weiter starr auf das Gerät gerichtet. Ganz langsam wanderte sein Blick zu Dale, und der Hass, der darin aufleuchtete, war mörderisch. Schwer atmend kämpfte Josh darum, seine Emotionen unter Kontrolle zu halten, so wie ein Ertrinkender um die letzten Atemzüge Sauerstoff kämpft, bevor er unter Wasser gezogen wird. Seine Augen füllten sich mit Tränen, in einer wütenden Grimasse fletschte er die Zähne. Wäre er mit Dale in einem Zimmer gewesen, da war Sarah sich ganz sicher, hätte es in der gesamten Wache nicht genug Polizisten gegeben, um Josh festzuhalten. Selbst jetzt hatte sie Angst, er könnte durch den Spiegel brechen und sich auf ihn stürzen.
»Josh? Bist du okay? Josh?«
Als Josh sich zu ihr umdrehte, erkannte sie ihn kaum wieder. Noch nie hatte sie diese Kombination von Gefühlen in seiner Miene gelesen. Wut, Scham, Ekel und Furcht verzerrten seine Gesichtszüge zu etwas Abscheulichem und Furchteinflößendem. Sarah wusste, dass er den Missbrauch, den er als Kind erlitten hatte, noch einmal durchlebte. Es musste schrecklich gewesen sein, zu erleben, wie das Gleiche immer und immer wieder mit einem geschah, aber das hier war noch wesentlich schlimmer. Das hier war eine brutale und blutige Vergewaltigung. Trotz seiner Größe und
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