Der Traum der Hebamme / Roman
als jungen Mann heimgesucht hatten, weil er zu viel Bilsenkraut genommen hatte; von den Angstgespinsten, die jemanden erfüllen konnten, der sich damit berauschte und gegen die sie Albrecht vor Jahren unter strengster Geheimhaltung behandeln musste.
Sie spürte, dass Ottos verweigerte Vergebung diese Ängste von neuem geweckt hatten. Deshalb war ihr Fluch so wirkungsvoll – und weil Albrechts Sorge immer größer wurde, ohne männlichen Nachkommen zu bleiben.
Von all dem hatte sie Dietrich nach ihrer Ankunft in Weißenfels erzählt und ihm vorgeschlagen, den Meißner Bischof als Zeugen für den Friedensschwur einzuladen. Sie war sich sicher, dass Kittlitz gern die Beschwerlichkeiten der Reise auf sich nehmen würde, um Zeuge der Niederlage seines Widerparts zu werden. Und genau so war es eingetreten.
Da Lukas und seine Frau beim Friedensschluss nicht zugegen waren, weil der Ritter immer noch auf dem Krankenlager um sein Leben rang und Marthe nicht von seiner Seite wich, würde niemand auf die Idee kommen, wer hinter dem Plan steckte.
Ich wollte, du wärest jetzt bei mir, Lukas, dachte Dietrich wehmütig an den Vertrauten und Ratgeber. Du und Christian. Wäret ihr jetzt zufrieden mit mir? Hätte ich irgendetwas besser machen können?
Die Zeremonie war vorüber; die ersten Besucher drängten schon aus der Kirche, was angesichts der Menschenmenge davor nur stockend vonstattenging.
Niemand erwartete, dass er und sein Bruder sich jetzt die Hände reichten oder ein Wort oder auch nur einen Blick miteinander tauschten.
Also bat Dietrich den thüringischen Marschall und seinen Kommandanten Norbert, die Übergabe der meißnischen Gefangenen zu beaufsichtigen. Thomas behielt er lieber in seiner Nähe; er hatte die Wellen der Feindseligkeit geradezu spüren können, die zwischen dem jungen Ritter und Elmars Stiefsohn wogten, und wollte nicht, dass irgendein Zwischenfall den eben geschlossenen Frieden gefährdete.
Höflich wandte er sich den beiden Bischöfen zu, um sie hinauszugeleiten, und lud sie zu einem Mahl auf seiner Burg ein.
Der Meißner lehnte dankend ab. »Ich muss dringend zurück in meine Diözese«, erklärte er mit gespieltem Bedauern. »Da bietet es sich an, dass ich und meine Begleiter uns unter Geleitschutz des Markgrafen begeben.«
Er wies einen jungen Schreiber aus seinem Gefolge an, die entsprechenden Absprachen mit Fürst Albrecht zu treffen, und verabschiedete sich feierlich von seinem Merseburger Amtsbruder und dem Grafen von Weißenfels.
Dietrich nickte verständnisvoll und gab sich im Stillen ein paar sarkastischen Gedanken über die Gerissenheit des alten Bischofs hin, der nun die ganze Reise lang Albrecht nicht aus den Augen lassen und ihn ständig an die erlittene Niederlage erinnern würde.
Eberhard von Seeburg dagegen nahm das Angebot an. Doch angesichts seines Alters und der anstrengenden Reise wolle er zunächst etwas ruhen. Und natürlich in einem Zwiegespräch mit Gott dem Allmächtigen für seinen Beistand am heutigen Tag zu danken.
Schlafkammern für die Gäste waren bereits vorbereitet, außerdem etliche Gehilfen des Küchenmeisters und zusätzlich in Dienst genommene Mägde damit beschäftigt, ein diesem Tag angemessenes Festmahl vorzubereiten. Über den ganzen Burghof zog bereits der Duft von frisch gebackenem Brot und gesottenem Fleisch.
Nachdem er Eberhard von Seeburg in seine Unterkunft hatte führen lassen, beschloss Dietrich, sich vorerst nicht in der Halle blicken zu lassen, wo Dutzende Menschen auf ihn einreden würden, und darauf zu vertrauen, dass die Festvorbereitungen auch ohne seine weiteren Anweisungen laufen würden. Stattdessen wollte er zusammen mit Thomas nach Lukas sehen.
Ihm war klar, dass er dringend einen neuen Verwalter brauchte und auch eine Frau, die sich fortan um die Vorräte kümmerte. Ob er Marthe darum bitten konnte? Wenn Lukas wieder genesen war, würde er sicher ohnehin den Dienst bei Hermann von Thüringen quittieren und mit seinen Söhnen nach Weißenfels kommen. Dietrich wüsste Lukas und Marthe liebend gern an seiner Seite.
Doch erst einmal musste der Verletzte wieder auf die Beine kommen. Sofern er überhaupt noch lebte.
Begegnungen
D er Anblick Marthes besorgte Dietrich zutiefst. Sie wirkte so müde und erschöpft, dass sie kaum noch die Augen offen halten konnte. Kraftlos hockte sie auf der Bettkante und löste vorsichtig einen blutverkrusteten Verband von Lukas’ Wunde.
Ihr Mann schlief, auf dem Bauch liegend, oder war
Weitere Kostenlose Bücher