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Der Unheimliche Weg

Der Unheimliche Weg

Titel: Der Unheimliche Weg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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wie eine exzentrische Figur in einem Film.«
    »Und ich glaube an die Verbrüderung der Menschheit, und Sie sind eine liebende Frau, und unsere Mrs Baker – was machen wir mit der?«
    »Ich werde nicht klug aus ihr.«
    »Und doch ist das gar nicht so schwer. Die denkt nur ans Geld. Sie ist ein gut bezahltes Rädchen im Getriebe.«
    »Aber ich habe auch vor ihr Angst. Sie scheint so bedeutungslos, und doch ist sie in Wirklichkeit ein maßgebender Faktor bei der ganzen Sache.«
    Peters sagte grimmig: »Die Partei ist sehr realistisch eingestellt und bedient sich stets der geeignetsten Kräfte.«
    »Aber ist denn jemand, der es vor allem auf Geld abgesehen hat, am geeignetsten für eine solche Aufgabe? Könnte sie nicht die Seite wechseln, wenn die anderen mehr bieten?«
    »Das wäre ein großes Risiko. Dazu ist sie zu klug.«
    Da Sylvia fröstelte, führte Peters sie ein wenig hin und her.
    Mit einem Mal bückte er sich und sagte:
    »Sie haben etwas verloren.«
    »Oh, das ist eine Perle aus meiner Kette. Ich habe sie neulich – nein, gestern – zerrissen. Ach, das scheint schon wieder ein Menschenalter her zu sein.«
    »Hoffentlich sind die Perlen nicht echt?«
    »Nein, zum Glück nicht.«
    Er zog sein Zigarettenetui aus der Tasche und hielt es ihr hin.
    »Was für ein schweres Etui«, sagte sie verwundert.
    »Weil es aus Blei ist, eine Erinnerung an eine Bombe, die mich verfehlt hat.«
    »So, haben Sie den Krieg mitgemacht?«
    »Ich war einer von denen, die kontrollieren mussten, ob die Bomben richtig losgehen. Aber wir wollen nicht vom Krieg reden, sondern lieber an morgen denken.«
    »Aber wohin geht es denn nur? Kein Mensch will es uns sagen.«
    »Es hat keinen Sinn, darüber nachzugrübeln. Sie gehen einfach, wohin man Sie führt, und tun, was Ihnen gesagt wird.«
    »Finden Sie es vielleicht schön, an der Strippe herumgezogen zu werden wie eine Marionette?«, fragte sie leidenschaftlich.
    »Wenns nötig ist, werde ich es ertragen. Und es ist nötig. Alles ist doch besser als das Chaos, in dem wir heutzutage leben. Finden Sie das nicht auch?«
    Einen Augenblick war Sylvia versucht, ihre wahre Meinung zu sagen. War es nicht besser, ein menschlich fühlendes Wesen zu sein, als zu einer Gesellschaft hochintelligenter Roboter zu gehören, die allem, was Barmherzigkeit, Verständnis und Liebe hieß, den Abschied gegeben hatte? Aber sie nahm sich zusammen und sagte stattdessen mit geheuchelter Begeisterung:
    »Sie haben völlig Recht! Ich bin eben abgespannt. Natürlich müssen wir gehorchen und unseren Weg gehen.«

10
     
    W arum hat man sich eigentlich so viel Mühe gegeben, unsere Spuren zu verwischen, dachte Sylvia. Soviel ich weiß, hat keiner ein Verbrechen begangen, um dessentwillen er von der Polizei verfolgt wird. Und doch wollen alle ihr früheres Leben aufgeben und ein ganz neues beginnen. Bei ihr traf das sogar buchstäblich zu. Sie war nicht mehr Sylvia Craven, sondern Olivia Betterton. Und sie fühlte sich unsicher gegenüber ihren neuen Schicksalsgenossen. Noch nie war sie in so engem Kontakt mit Wissenschaftlern gewesen, die noch dazu völlig verschiedene Ansichten hatten. Dr. Barron dachte nur an sein Laboratorium und an die Entdeckungen, die er machen würde. Diesen Fanatismus konnte sie noch einigermaßen begreifen. Aber Miss Needheim stand sie vollkommen verständnislos gegenüber, und sogar in Andy Peters’ Augen glomm manchmal ein Funke auf, der ihr Schrecken einjagte.
    »Ihr wollt gar keine Neue Welt aufbauen«, sagte sie einmal zu ihm, »ihr wollt nur die alte zerstören.«
    »Ganz gewiss nicht, Olivia. Wie können Sie nur so etwas sagen?«
    »Nein, ich habe Recht, denke ich. In Ihnen wohnt der Hass. Sie wollen zerstören.«
    Doch Ericsson war ihr am rätselhaftesten von allen. Er war in ihren Augen ein Träumer – aber darum keineswegs weniger gefährlich oder beunruhigend als die anderen.
    »Wir müssen die Welt erobern«, pflegte er zu sagen, »wir müssen sie erobern, um sie beherrschen zu können.«
    »Wir?«, fragte sie.
    »Ja, wir, die Geistesheroen. Wir sind die Einzigen, die zählen.«
    Sylvia kam zu dem Ergebnis, dass alle in ihrer Art Fanatiker waren – außer Mrs Baker. Bei ihr gab’s keinen Fanatismus, keinen Hass, keinen Ehrgeiz, keine Träume. Und doch war sie eine Frau ohne Herz und Gewissen; ein williges Instrument in der Hand einer unbekannten Macht.
    Es war am Ende des dritten Tages. Sie hatten eine kleine Stadt erreicht und waren in einem Gasthaus untergebracht worden.

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