Der Untergang der Shaido
worden war, bestätigte, dass Beonin einige Geheimnisse für sich behalten hatte, auch wenn es noch immer ein Geheimnis war, wie sie das geschafft hatte. Beonin selbst hatte lediglich gesagt, dass die meisten Schwestern die Geschichten über neue Gewebe als Gerüchte abtaten.
»Ihr wollt, verflucht noch mal, einfach nicht nachgeben, was, Kind?«, sagte Doesine, während sich Egwene das Kleid über den Kopf zog. Ihre Ausdrucksweise stand im Widerstreit mit dem eleganten Erscheinungsbild dieser Frau in ihrem goldbestickten Blau mit den Saphiren im Ohr und in den Haaren.
»Sollte die Amyrlin jemals nachgeben?«, fragte Egwene, als ihr Kopf wieder zum Vorschein kam. Sie verdrehte die Arme, um die gebleichten Hornknöpfe auf dem Rücken zu schließen.
Doesine schnaubte wieder, wenn auch diesmal nicht verä chtlich, wie Egwene fand. »Ein mutiger Kurs, Kind. Und doch wette ich, dass Silviana Euch bald auf den richtigen Weg führen wird.« Aber sie ging, ohne Egwene dafür zu bestrafen, weil sie sich als Amyrlin bezeichnet hatte.
Egwene hatte eine weitere Verabredung mit der Oberin vor dem Frühstück - bis jetzt hatte sie noch keinen Tag gefehlt -, und nach dem entschlossenen Versuch, Doesines Arbeit in einer Sitzung ungeschehen zu machen, hörten ihre Tränen in dem Moment auf, in dem Silvianas Riemen nicht mehr zuschlug. Als sie sich vom Ende des Schreibtischs erhob, auf dem eine Lederplatte befestigt war, die dazu diente, dass man sich darüberbeugte - und deren Oberfläche von wer weiß wie vielen Frauen abgenutzt war-, und Unterhemd und Röcke auf ihre brennende Haut fielen, verspürte sie nicht das Bedürfnis zusammenzuzucken. Sie akzeptierte die schmerzhafte Wärme, hieß sie willkommen, wärmte sich daran, so wie sie sich an einem kalten Wintermorgen die Hände am Kamin gewärmt hätte. Im Augenblick gab es eine starke Ähnlichkeit zwischen ihrem Hinterteil und einem lodernden Kamin. Aber der Blick in den Spiegel zeigte ihr ein unberührtes Gesicht. Rotwangig, aber ganz ruhig.
»Wie konnte man Shemerin zu einer Aufgenommenen zurückstufen?«, fragte sie und wischte sich mit dem Taschentuch die Tränen ab. »Ich habe mich erkundigt, und in den Burggesetzen steht nichts darüber.«
»Wie oft hat man Euch wegen dieser ›Erkundigungen‹ zu mir geschickt?«, fragte Silviana und hängte den in der Mitte geteilten Riemen in den schmalen Schrank, neben den Halbschuh und den elastischen Rohrstock. »Ich hätte gedacht, Ihr hättet mittlerweile schon lange aufgegeben.«
»Ich bin neugierig. Wie, wenn es dafür keine Bestimmung gibt?«
»Keine Bestimmung, Kind«, sagte Silviana sanft, als würde sie zu einem kleinen Kind sprechen, »aber auch kein Verbot. Ein Schlupfloch, das… Nun, wir wollen das nicht vertiefen. Ihr würdet Euch nur wieder eine weitere Prügelstrafe einhandeln.« Sie schüttelte den Kopf, nahm ihren Platz hinter dem Schreibtisch ein und legte die Hände auf die Tischoberfläche. »Das Problem war, dass Shemerin es akzeptierte. Andere Schwestern bestürmten sie, das Urteil zu ignorieren, aber sobald sie erkannte, dass Betteln nichts an der Entscheidung der Amyrlin ändern würde, zog sie in das Quartier der Aufgenommenen.«
Egwenes Magen knurrte laut und verlangte nach Frühs tück, aber sie war noch nicht fertig. Sie führte tatsächlich mit Silviana eine Unterhaltung. Eine Unterhaltung, und es spielte keine Rolle, wie merkwürdig das Thema war. »Aber warum sollte sie weglaufen? Sicherlich haben ihre Freundinnen nicht aufgehört, sie zur Vernunft bringen zu wollen.«
»Ein paar hatten etwas Vernünftiges zu sagen«, bemerkte Silviana trocken. »Andere…« Sie bewegte die Hände wie zwei Waagschalen, zuerst war die eine oben, dann die andere.
»Andere wollten sie zwingen, Vernunft anzunehmen. Sie schickten sie fast so oft zu mir wie Euch. Ich behandelte ihre Besuche als private Bußen, aber ihr fehlte Euer . ..« Sie verstummte abrupt, lehnte sich in ihrem Stuhl zurück und musterte Egwene über die aneinander gelegten Finger. »Sieh an. Ihr habt mich tatsächlich zum Plaudern gebracht. Das ist sicherlich nicht verboten, aber unter diesen Umständen schickt es sich wohl kaum. Geht zum Frühstück«, sagte sie, ergriff die Schreibfeder und öffnete das Tintenfässchen. »Ich trage Euch wieder für den Mittag ein, weil ich weiß, dass Ihr keinen Knicks machen werdet.« In ihrer Stimme lag ein leiser Hauch von Resignation.
Als Egwene den Speisesaal der Novizinnen betrat, stand die erste
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