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Der Vampir, den ich liebte

Der Vampir, den ich liebte

Titel: Der Vampir, den ich liebte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beth Fantaskey
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ihn. »Du hast es versprochen. Keine Umweltpredigten.«
    Warum waren
meine Eltern überhaupt so versessen darauf gewesen, mit Jake zu Abend zu
essen? Ständig redeten sie über Privatsphäre und wie wichtig es war, eigenständig
zu sein. Bis es dazu kam, dass ich tatsächlich mit einem Jungen ausging. Dann
machten sie plötzlich einen auf Eine himmlische Familie und bestanden
darauf, dass Jake mit uns zu Abend aß – obwohl er gleich die Straße hinunter
aufgewachsen war und uns alle paar Wochen Heu nach Hause lieferte. Es war
einfach nur peinlich. Und die Tatsache, dass Lucius ganz offensichtlich
schlechte Laune hatte, machte es auch nicht besser.
    »Noch etwas
Sojamilch?«, bot Mom an.
    Jake hob
die Hand, eine Spur zu schnell. »Nein, danke.«
    »An den Geschmack muss man sich
ein bisschen gewöhnen«, erklärte ich mitfühlend.
    »Ähm, ja.
Ich schätze, ich bin einfach an die gewöhnliche Art von Milch gewöhnt.«
    »Für die
Kühe ausgebeutet werden«, fügte Dad hinzu und stach mit einer Gabel verdächtig
in Jakes Richtung in die Luft. »Arme Tiere, in einer Reihe aufgestellt, ihre
Zitzen an kaltes Metall angeschlossen ...«
    Zitzen? »Dad, bitte. Sag dieses Wort nicht
...«
    »Was?« Mein
Dad warf die Hände in die Luft, er war der Inbegriff der Unschuld. »Jake lebt
auf einem Bauernhof. Ich bin davon überzeugt, dass er mit den Zitzen einer Kuh
vertraut ist.«
    Jeder
Tropfen Blut in meinem Körper schoss in mein Gesicht. So was brachte nur Dad
fertig, während meines ersten Dinners mit Jake erst die Anatomie einer Kuh ins
Gespräch zu bringen und ihm dann vorzuwerfen, mit dem rindermäßigen Äquivalent
von Brüsten »vertraut« zu sein.
    Als sei
Jake ein Experte in Sachen Viehhaltung. Ich blickte zu Lucius
hinüber, in der Erwartung, dass er feixen würde, aber er stocherte lediglich in
seinem Salat herum und beäugte eine
von Dads geschätzten Kirschtomaten, als sei sie eine mit Schleim gefüllte
außerirdische Lebensform, die es irgendwie an das Ende seiner Gabel geschafft
hatte.
    »Ned«,
griff Mom ein. »Vielleicht könnten wir tatsächlich das Thema wechseln.« Ich
erlebte einen flüchtigen Augenblick
der Erleichterung, bis meine Mutter sich an Jake wandte und bemerkte: »Wie ich
höre, lest ihr in eurem Literaturkurs Moby Dick.«
    »Ähm, ja.«
    »Ich habe
dieses Buch geliebt, als ich in eurem Alter war«, fuhr Mom fort. »Diese ganze
Vorstellung von Abenteuern auf See. Und es regt so sehr zum Nachdenken an. Was
soll der Leser von dem weißen Wal halten? Was symbolisiert er am Ende?«,
überlegte sie laut, immer nach an Jake
gerichtet. »Gott, die Natur, das Böse – oder ist er einfach ein Symbol für
Ahabs sehr offenen, sehr menschlichen Stolz?«
    Es folgte
ein Moment der Stille, während der arme Jake versuchte, eine Antwort auf Moms
Frage zu finden, die, seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, ungefähr so
schwer verdaulich war wie die Sojamilch. »Ähm ... vielleicht alles zusammen?«,
bemerkte er schließlich zaghaft.
    »Wir lesen
nur die gekürzte Fassung«, bemerkte ich lahm. Ich war daran gewöhnt, mit einer
Professorin zusammenzuleben – beim Abendessen fand bei uns in der Regel immer
irgendeine Art von Quiz statt –, aber musste Mom Jake so quälen? »Vielleicht
haben sie einige der Metaphern rausgekürzt ... «
    »Der Wal
steht für die verborgenen Kräfte der Zerstörung, die danach trachten, durch
die Oberfläche einer selbstgefälligen Welt zu brechen«, meldete Lucius sich zu
Wort. Er hatte zum ersten Mal an diesem Abend überhaupt etwas gesagt und alle
Köpfe drehten sich nun in seine Richtung.
    »Hä?«,
platzte Jake offensichtlich ziemlich verwirrt heraus. Dann riss er sich
zusammen und warf mir einen verlegenen Blick zu.
    »Ich mag
den Wal«, fügte Lucius düster hinzu, den Blick immer noch auf seinen Teller
gerichtet. »Und Ahab. Sie haben begriffen, was Beharrlichkeit ist. Sie
verstehen sich darauf abzuwarten.« Er hob den Kopf und warf mir einen Blick zu,
der so scharf war wie seine »Reißzähne«. »Und sie akzeptieren ihr jeweiliges
Schicksal, wie düster es auch sein mag.«
    Nein. Mein Magen krampfte sich zusammen. Wenn
Lucius jetzt anfängt, über die Verlobung zu reden, wird Jake abhauen. Und
warum bezeichnet Lucius ein Schicksal mit mir
überhaupt als »düster«? Will er andeuten, dass eine Ehe mit mir genauso schlimm
wäre, wie an einen sterbenden Wal gefesselt zu sein?
    »Hey,
Lucius. Was macht eigentlich das Basketballtraining?«, fragte ich, in

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