Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Vampir, den ich liebte

Der Vampir, den ich liebte

Titel: Der Vampir, den ich liebte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beth Fantaskey
Vom Netzwerk:
drängen. Ich wollte glauben, dass ich mir die
Szene gerade nur eingebildet hatte, dabei hatte ich alles so klar und deutlich
gesehen.
    Inzwischen
nahm ich auch einen Geruch wahr. Einen scharfen Geruch, den ich noch nie zuvor
gerochen hatte. Naja, nie zuvor stimmte nicht ganz, aber jetzt ... jetzt war er
so stark. Und wurde noch stärker. Ich öffnete die Augen und zwang mich, wieder
hinzuschauen. Dieser Duft ... es war, als nähme ich ihn nicht mal mit der Nase
wahr. Ich spürte ihn, irgendwo tief in der Magengrube oder in den
entlegensten Winkeln dieses primitiven Teils des Gehirns, über den wir im
Biologie-Unterricht gesprochen hatten. Des Teils, der Sex und Aggression
kontrollierte und ... Genuss?
    Lucius
richtete sich höher auf, auf einen Ellbogen gestützt, und trank gierig, als
könne er nicht genug bekommen. Dann endlich war nichts mehr übrig. Der Beutel
war leer. Lucius ließ sich mit einem Stöhnen zurückfallen, das sowohl pure Qual
als auch reinen Genuss auszudrücken schien und Dad fasste ihn an den nackten
Schultern und ließ ihn vorsichtig wieder auf den Rücken sinken.
    »Ruh dich
aus, Lucius«, sagte Dad. Mom kam mit einem Tuch herbei, um ihm die Brust
abzuwischen, wo er sich mit Blut bekleckert hatte ...
    Blut. Er
hat Blut getrunken.
    Ich presste
die Augen wieder zusammen, noch fester diesmal. Etwas Seltsames geschah: Ganz
offensichtlich kauerte ich auf einem festen hölzernen Boden, der sich nicht
bewegen konnte, und doch begann er plötzlich, sich unter meinen Füßen
aufzubäumen und zu drehen. Das ganze Haus wogte um mich herum, und selbst als
ich die Augen öffnete und versuchte, die Orientierung wiederzufinden, stellte
ich fest, dass meine Augen sich gegen meinen Willen zur Decke wandten, die
mehr und mehr in meiner Wahrnehmung verblasste.
    Ich
erwachte später in derselben Nacht in meinem eigenen Bett, bekleidet mit
meinem Schlafanzug, aber verwirrt und desorientiert, als fände ich mich
plötzlich in einem fremden Land wieder, statt in meinem eigenen Zimmer. Es war
noch dunkel. Ich lag so reglos da wie nur möglich, die Augen geöffnet, nur für
den Fall, dass der Raum zu schlingern beginnen und die Decke wieder verblassen
würde.
    Das Haus
bewegte sich jedoch nicht, nicht einmal als ich die Erinnerung an das, was ich
gesehen hatte, was ich gefühlt
hatte, zurückkehrte. Jedes einzelne Detail war wieder da.
    Ich hatte
gesehen, wie Lucius Blut trank. Oder etwa nicht? Mir war schwummerig gewesen.
Ich war verwirrt gewesen. Und dieser Geruch ... vielleicht hatte Dr. Zsoldos
Lucius eine Art berauschenden rumänischen Alkohol oder einen Trank oder etwas
in der Art verabreicht. Vielleicht hatte ich in meiner Panik und Furcht das
Ganze missverstanden.
    Aber eines
konnte ich nicht wegerklären: Was ich gefühlt hatte, als ich wirklich glaubte,
Lucius sei tot.
    Trauer. Die
tiefste Trauer, die ich mir vorstellen konnte. Als hätte jemand ein Loch in
meine Seele gerissen.
    Das ... das
war der Teil, der mir wirklich Angst machte. Solche Angst, dass ich mitten in
der Nacht wieder nach unten schlüpfte und mich ins Esszimmer stahl. Das Feuer
war geschürt worden. Lucius lag immer noch auf dem Rücken auf dem Tisch, aber
jetzt hatte er ein Kissen unterm Kopf. Jemand hatte eine wärmere Decke über das
Laken gelegt und ihn von den Schultern bis zu den Zehen damit zugedeckt. Mein
Dad war noch im Raum und döste leise schnarchend im Schaukelstuhl, aber Mom war
fort und Dr. Zsoldos war fort und seine Tasche und der Beutel, von dem ich
wahrscheinlich nur geträumt hatte ...
    Ich schlich
mich näher an Lucius heran. Er hatte keine Spuren von Rot mehr auf den Lippen,
keinen Fleck am Kinn und sein Mund wirkte wieder völlig normal. Es war nur ein
bleiches, verletztes, inzwischen vertrautes Gesicht. Während ich ihn
betrachtete, musste er wohl gespürt haben, dass da jemand war, oder vielleicht
träumte er auch, denn er bewegte sich leicht und seine Hand fiel vom Tisch. Die
Haltung sah unbequem aus, also wartete ich einen Moment ab, um festzustellen,
ob er sich wieder bewegen würde, dann
griff ich sanft nach seinem Handgelenk und legte es zurück auf den Tisch. Trotz
der Decke und des Feuers, das nur wenige Schritte entfernt knisterte, fühlte
seine Haut sich so kühl an ... regelrecht kalt. Er war immer so kalt. Meine
Finger glitten nach unten und umfassten einen Moment lang seine, um ihm ein
wenig Trost oder Wärme zu geben.
    Er lebte.
    Ich begann
zu weinen, so lautlos wie möglich, um Dad nicht zu wecken. Ich

Weitere Kostenlose Bücher