Der Vampir, den ich liebte
– aber ich muss einfach fortfahren.)
In
unserer Burg, isoliert und hoch oben in den Karpaten gelegen, hast du wenig
Berührung mit jenen außerhalb unserer Rasse. Du kennst nur die Sitten der
Vampire – die Bräuche der Vladescus. Bräuche, in denen es um Blut und
Gewalttätigkeit und das harte Ringen ums Überleben geht. Um den endlosen Kampf
um Vorherrschaft.
Du hast
niemals Ned Packwood über einer Kiste voller zappelnder Kätzchen gesehen, wie
er sie mit einer Pipette füttert – während unsere Leute die zitternden Streuner
ohne Bedauern in die Kälte hinausgeworfen und zugesehen hätten, wie sie von
kreisenden Raubvögeln davongetragen werden. Nicht nur völlig ohne Bedauern,
sondern mit einem Gefühl der Befriedigung um des Habichts willen, der in
dieser Nacht nicht zu hungern braucht.
Du hast
niemals Dara Packwoods zitternde Hand gespürt, als sie nach deinem Puls
suchte, während du auf einem Holztisch lagst – verwundbar! –, halb nackt und
schwer verletzt.
Was
hätte ein Mitglied unserer Rasse getan, Vasile? Wäre Dara eine Dragomir
gewesen und keine Packwood, hätte sie sich nicht zumindest versucht gefühlt, in
diesem günstigen Augenblick den rivalisierenden Prinzen ein für alle Mal zu
beseitigen? Und doch hat sie um mein Leben gebangt.
So ist
Antanasia erzogen worden. Sie ist nicht nur eine Amerikanerin, sondern eine Packwood. Keine Dragomir. Sie
wurde mit Kätzchen und Güte und Streicheleinheiten verhätschelt. Ernährt mit
bleichem, schlaffem »Tofu« statt mit der blutigen Beute aus einem Gemetzel.
Und du
hast sie nicht weinen hören, Vasile. Du hast ihre Trauer nicht gefühlt, wie ich
es getan habe, als sie dachte, ich sei vernichtet ... Ihre Trauer war für mich
greifbar, Vasile. Sie hat sie zerrissen.
Antanasia – nein, Jessica – ist weich, Vasile. Weich. Ihr Herz ist so zart, dass sie
nicht umhinkonnte, uni mich zu trauern – einen Mann, den sie kaum ertragen kann.
Ihre
Feinde – und wir wissen, dass sie als Prinzessin welche hätte, selbst in
Friedenszeiten – würden diese Schwäche riechen,
geradeso wie ich ihre Trauer gespürt habe. An irgendeinem
Punkt würde sich ein anderes weibliches Wesen erheben, durstig nach Macht,
hungrig, Jessicas Platz einzunehmen. Ist das nicht das Schicksal in unserer
Welt? Und im Falle einer Konfrontation, im Augenblick der Wahrheit würde
Jessica zögern, nur für einen Sekundenbruchteil, nicht sicher, ob sie es
ertragen könnte, ein Leben zu vergeuden – und sie wäre verloren. Nicht einmal
ich könnte sie ständig beschützen.
Ich
fürchte, ich habe Jessica in der Vergangenheit für oberflächlich gehalten. Ich
(wir?) habe mich schuldig gemacht, indem ich dachte, dass andere Kleider,
Lektionen zum Thema Etikette, ein tiefer und befriedigender Biss in ihre
Kehle sie zu einer Vampir-Prinzessin machen könnten.
Aber du
hast sie nicht weinen hören, Vasile. Du hast nicht gespürt, wie ihre Tränen auf
dein Gesicht fielen, deine Hand.
Vielleicht
könnte die Welt der Vampire Antanasia überleben – aber könnte Antanasia die
Welt der Vampire überleben? Sie ist vielversprechend, Vasile, doch es wird
noch Jahre dauern, bis sie gereift ist. In der Zwischenzeit wäre sie dem
Untergang geweiht.
Vielleicht
sind es die Medikamente, die da aus mir sprechen. Ehrlich, Vasile, die
Packwoods haben einen wunderbaren ungarischen Heiler, der sehr freigiebig mit
seinen Tränken umgeht, wenn du verstehst, was ich meine. Ja, vielleicht ist es
die Vielzahl von Tränken, die durch meine Adern fließt und mein Gehirn
durchdringt, aber ich bedenke diese Dinge, während ich hier liege – und, wie
ich vielleicht noch hinzufügen könnte, das erste Basketball-»Testspiel« der
Saison verpasse, das Spiel gegen die rivalisierenden »Palmyra Cougars«. (Es
wäre ein Leichtes gewesen, sie auf dem Platz zu erledigen.)
Doch
zurück zu Jessica. Wir Vampire sind seelenlos, ja. Aber wir verraten unsere
Gefährten nicht, oder? Wir töten nicht willkürlich, richtig? Und ich fürchte,
dass die Welt der Vampire Jessica tatsächlich vernichten würde.
Sollten
wir nicht doch einmal erwägen, ihr die Freiheit zu schenken, ihr zu
ermöglichen, ein normaler, menschlicher Teenager zu sein? Und die Probleme
unserer Welt dort zu belassen, wo sie hingehören: in unsere Welt, statt auf die
Schultern eines unschuldigen amerikanischen Mädchens, das sich nur danach
sehnt, sein Pferd zu reiten, mit seiner besten Freundin zu kichern (ich habe
eine einigermaßen verdrehte Sympathie
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