Der Vampir, den ich liebte
den
Ringern hüpften die Cheerleader auf und ab und das Basketballteam hatte sich
gleich über eine komplette Hälfte des Feldes verteilt. Die Luft war erfüllt
vom Ächzen der Ringer und den Rufen der Cheerleader, vom Quietschen der Gummisohlen
und dem Geruch nach Schweiß.
Jemand
blies scharf in eine Pfeife. »Vladescu! Front und Center, verdammt!«, erhob
sich Coach Ferrins dröhnende Stimme über den Lärm. »Du stehst jetzt schon seit
einer verdammten Stunde bei dem gottverdammten Trinkbrunnen! Schwing deinen
faulen Arsch zurück ins Training!«
Ich
richtete mich ein wenig höher auf und beobachtete, wie ein auffällig großer,
dunkelhaariger Rumäne aus Richtung Jungenumkleideraum auf den Platz gelaufen
kam. »Lucius spielt schon wieder?«
»Und wie.«
Mindy seufzte träumerisch.
»Mindy, ist Lucius der Grund, warum du hierherkommst?«
»Es ist ja
keine Sucht oder so«, protestierte sie. »Ich komm vielleicht ein- oder zweimal
die Woche. Aber ich meine, sieh ihn dir doch nur mal an!«
In dem
Moment schnappte Lucius einen Ball aus der Luft, der direkt auf seinen
Oberkörper zugeflogen war, machte einige schnelle Schritte auf den Korb zu, hob
scheinbar mühelos vom Boden ab – und schmetterte den Ball durch den Ring.
»Aber er
war noch nicht mal wieder im Unterricht.«
»Ja, ich
bin ihm vor dem Training kurz im Flur begegnet«, erwiderte Mindy. »Er hat
gesagt, er kommt ab morgen wieder zum Unterricht.« Sie warf mir einen
neugierigen Blick zu. »Hattest du nicht gesagt, er hätte sich das Bein
gebrochen?«
»Es war
verletzt ...« Oh, Hölle. Ich versuchte schon gar nicht mehr, die Rätsel um
Lucius Vladescu zu erklären. »Ich schätze, es geht ihm jetzt besser.«
»Das kann
man wohl sagen.«
»Mindy!«
»Guck doch
nur mal, wie er in Shorts aussieht, Jess. Es gibt genügend Typen, bei denen man
sich wünscht, sie würden ihre Klamotten anbehalten. Aber bei Lucius will man,
dass er noch eine Schicht ablegt. Ich meine, wüsstest du nicht auch gern, was da
drunter ist?«
Sie hatte
recht. Es gab einen guten Grund, warum Lucius in Kleidern so gut aussah. Der
Körper darunter war praktisch
makellos – mit Ausnahme einer weiteren Narbe, einer breiten, ausgefransten
Narbe, die sich quer über seinen rechten Oberarm zog. Wie hatte er sich die
zugezogen? Und hatte er an anderen Körperteilen vielleicht noch mehr Narben?
An Lucius linkem Bein, das wirklich gebrochen gewesen war, prangte
ein großer schwarzer Bluterguss, das einzige Zeichen, dass er noch verletzt
war. Abgesehen von diesen winzigen Makeln gab es einfach nichts zu
kritisieren. Okay, selbst die Narben wirkten sexy. Noch dazu war Lucius gut
einen Kopf größer als die meisten anderen Spieler, seine Beine waren stärker
definiert – muskulös, aber schlank – und seine Schultern breiter, maskuliner,
ohne mit schweren Muskelpaketen beladen zu sein ...
Ich warf
Jake einen schuldbewussten Blick zu, irgendwie hatte ich das Gefühl, ihn
gerade irgendwie betrogen zu haben.
Mindy
folgte meinem Blick. »Oh, sieh mal, was dein Freund da auf der Matte macht.«
»Ich weiß
nicht, ob er mein Freund ist ...«
»Komm
schon, Jess. Ihr zwei seid zusammen. Ihr wart letzte Woche zwei Mal miteinander
aus, ihr esst fast jeden Tag gemeinsam zu Mittag und jetzt bist du hier oder
nicht?«
Ich sah zu,
wie Jake ächzend über die Matte rollte. »Kannst du ein Geheimnis für dich
behalten, Mindy?«
»Hey, wir
sind Freundinnen seit dem Kindergarten«, erwiderte Mindy. »Habe ich deine Geheimnisse
jemals ausgeplaudert?«
»Nein.
Nie.« Mindy war vieles – flatterhaft, impulsiv, sexbesessen –, aber man konnte
sich absolut auf sie verlassen.
»Also?
Sprich.«
»Ich bin
mir nicht sicher, ob Jake und ich wirklich so gut zusammenpassen.«
Mindys
Augen, die von dicken schwarzen Eyeliner-Strichen umrandet waren, weiteten
sich. »Was? Ich dachte, du magst ihn wirklich!«
»Er ist ...
nett«, sagte ich und zuckte ein wenig zusammen, als ich ausgerechnet das
Adjektiv verwendete, das Lucius so hasste. »Aber ich weiß nicht, ob es wirklich
gefunkt hat. Nicht so, wie ich es mir vorgestellt hatte.«
»Hmm. Na
ja, Jake ist nicht Lukey«, räumte Mindy ein und ihr Blick wanderte wieder zum
Basketballfeld. »Das habe ich dir von Anfang an gesagt.«
»Ja, die beiden
sind sehr verschieden«, pflichtete ich ihr bei. Wenn sie nur wüsste, wie
verschieden ... vielleicht wäre sie dann nicht mehr so scharf auf ihren Lukey.
Mindy war übel geworden, als wir in der sechsten Klasse
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