Der Venuspakt
Lehnsherren bewundert hatte, schmückten die Klinge. Die Waffe
war perfekt ausbalanciert, aber Kieran fragte sich, wie er mit einem solchen
Schwert kämpfen sollte. Es war viel kürzer als alle Waffen, die er bisher in der
Werkstatt seines Vaters angefertigt hatte. Doch in den folgenden Jahrhunder-
ten hatte er nicht nur gelernt, damit umzugehen, sondern auch festgestellt,
dass niemand außer ihm das Schwert berühren konnte. Einmal hatte ein ge-
schickter Taschendieb versucht es zu stehlen und war schreiend vor Schmerz
zurückgesprungen. Heulend hielt er seine verbrannte Hand in die Höhe, auf
der deutlich der Abdruck des Schwertgriffes zu sehen war, und schrie: «He-
xerei! Der Mann ist ein Hexer!» Eine schwerwiegende Anschuldigung zu der
damaligen Zeit. Kieran hatte zwar von den Sterblichen wenig zu befürchten,
dennoch war er stets bemüht, keine Aufmerksamkeit zu erregen und damit
womöglich andere, weniger mächtige Vampire in Gefahr zu bringen. Er be-
wachte das Schwert noch sorgfältiger und es leistete ihm stets gute Dienste.
«Mutter, woher hast du diese Waffe?», fragte der junge Kieran verwundert
und riss seine Augen noch weiter auf, als er die glatt polierten Goldstücke in
dem Krug aus Ton entdeckte. Und dann erzählte sie ihrem Sohn, wie sie ihn
als Säugling in einer kalten Herbstnacht auf ihrem Heimweg aus dem Dorf
gefunden hatte. Ganz so, als hätte, wer immer den Korb, in dem er warm ein-
gewickelt schlief, genau gewusst, dass sie an diesem Abend spät unterwegs
sein würde. Das Schwert hatte sie zusammen mit einem Goldstück am nächs-
ten Morgen auf der Bank, die neben der Feuerstelle in ihrem kleinen Cottage
stand, gefunden und daraus geschlossen, dass dies der Lohn dafür war, dass sie
das Kind ohne zu zögern in ihren ärmlichen Haushalt aufgenommen hatte.
Ihr eigenes, viertes Kind war am Tag zuvor, nur drei Monate nach der Geburt,
gestorben und so hatte sie sogar genügend Milch für ihr Findelkind. Die au-
ßergewöhnliche Waffe verbarg sie in einem hohlen Baum vor ihrem Mann.
Der hätte sicher versucht, sie zu verkaufen. Das Gold jedoch zeigte sie ihm
und er gestattete ihr, den fremden Jungen zusammen mit ihren eigenen Kin-
dern aufzuziehen. Fortan fand sie an jedem Morgen, an dem sich der Fund des
kleinen Jungen jährte, ein weiteres Goldstück auf der Ofenbank. Aber sie gab
das Gold nicht aus, sondern versteckte es ebenfalls. Der Familie ging es auch
so sehr gut. Das Vieh vermehrte sich und gedieh, die Ernte war stets außerge-
wöhnlich ertragreich, die Kinder blieben gesund und die Schmiedearbeiten
ihres Mannes gelangen so gut, dass er bald regelmäßig vom Laird und anderen
mächtigen Familien der Gegend Aufträge erhielt.
Kieran trat in den Steinkreis. Vor wichtigen Kämpfen kam er regelmäßig
hierher, um die Ruhe dieses Ortes zur magischen Reinigung seiner Gedanken
zu nutzen. Dieses Mal fiel es ihm besonders schwer, die distanzierte Kaltblü-
tigkeit herzustellen, ohne die er kaum eine Chance haben würde, Nuriya zu
retten. Ehrfurchtsvoll hielt er sein magisches Schwert mit beiden Händen in
die Höhe, als wollte er es dem Himmel über sich anbieten, und gedachte dabei
der zahllosen Gegner, die ihm zum Opfer gefallen waren. Er wusste nicht, wie
es funktionierte, aber kaum hatte Kieran seine Augen geschlossen, da schien
es, als würden die Steine beginnen, sich um ihn herum zu drehen. Wind kam
auf, der versuchte, ihn mal hierhin, mal dorthin zu zerren, bis ein Wirbel ent-
stand und alle seine Zweifel und Ängste mit sich in luftige Höhen davon trug.
Da küsste er die kühle Klinge und flüsterte: «Verschone die Unschuldigen und
diene dem Frieden!» Anschließend schob er die Waffe in ein eigens hierfür
angefertigtes Futteral unter seinem langen Ledermantel und kehrte zu den
Gefährten zurück.
Ihre neugierigen Blicke ignorierend wandte er sich an Erik: «Hör zu, ich
habe keine Ahnung, was uns erwartet. Du wirst unter Umständen ganz auf
dich gestellt sein. Jetzt ist noch Zeit zu gehen, wenn du es dir anders überlegt
hast.»
Der Werwolf schaute ihn erstaunt an. «Ich bleibe natürlich bei dir!»
«Also gut. Wenn es zum Kampf kommt, halte dich zurück. Mit den Sicari-
ern ist nicht zu spaßen. Sie haben ein spezielles Gift entwickelt, das selbst für
mich hätte tödlich sein können.»
Tesfaya blickte ihn ungläubig an: «Du hast den Trank genommen und über-
lebt?»
«Was weißt du davon?» Kierans Stimme klang scharf und
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