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Der verbotene Schlüssel

Titel: Der verbotene Schlüssel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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überhaupt noch essen konnte.
    Die Übelkeit war nicht unbedingt der Hauptgrund, weshalb seine Laune auf einen Tiefpunkt zusteuerte, und ausnahmsweise hatte ich sogar Verständnis für den notorisch miesepetrigen Diener. Auch mich plagte ein mulmiges Gefühl in der Magengrube. Meine Hände schwitzten. Wie ein Schiffbrüchiger klammerte ich mich an die hölzerne Reling im Heck der Calliope . Nicht der raue Seegang bescherte uns das Unbehagen, sondern die römische Galeere, die uns durch die Straße von Hydruntum folgte. Vor gut einer Stunde war ihr Rahsegel am südlichen Horizont aufgetaucht. Seitdem holte sie stetig auf.
    Das kleine Handelsschiff, das wir heimlich in Rhodos bestiegen hatten, ließ sich nicht gerade mit einem Rennpferd vergleichen, eher mit einem dickbäuchigen Packesel. Es besaß vor der Deckhütte einen Großmast mit einem viereckigen Segel sowie einen kürzeren, schräg über den Bug ragenden Mast, der ebenfalls ein Rahsegel trug. Das schlanke Kriegsschiff der Römer hatte uns gegenüber einen entscheidenden Vorteil: Dank zweier übereinanderliegender Ruderdecks war es vom Wind unabhängig.
    Zu meiner Rechten erschien Hyrkan. Poseidonios hatte ihn mitgenommen, nicht nur weil er ihn dem Zugriff Obals entziehen wollte, sondern auch wegen seiner vielfältigen Talente. Während der Reise hatte ich mich mit dem kilikischen Seemann angefreundet.
    Hyrkan deutete auf das andere Schiff. An dessen Bug stand ein Zenturio mit einem silbernen Brustharnisch und einem quer stehenden Helmbusch. Er blickte zur Calliope hinüber. »Die Liburne der Römer ist ein schneller, wendiger Seewolf, gegen den sich unsere Corbita wie ein wehrloses, feistes Schaf ausnimmt.«
    Theo verzog den Mundwinkel. »Die haben ja auch Ruder und wir nicht.«
    »Du meinst die Riemen . Das Ruder ist zum Lenken des Schiffes da.«
    »Wäre es nicht besser anzuhalten?«
    Der ehemalige Pirat lachte. »Das hier ist kein Karren, Junge, sondern ein Segelschiff. Damit hält man nicht an, man dreht bei .«
    »Meinetwegen. Sollten wir nicht beidrehen? Ich habe das Gefühl, die sind hinter uns her.«
    »Oder hinter Hyrkan«, knirschte Agamemnon. »Seinetwegen werden wir alle auf dem Grund des Meeres landen.«
    Der Seemann winkte ab. »Du überschätzt meine Wichtigkeit, Agamemnon. Und was die Führung dieses Schiffes anbelangt, Theo, entscheiden weder ich noch dein Herr, sondern ganz allein der Kapitän.«
    Wie auf Zuruf hallte dessen knarrende Stimme über das Oberdeck. »Bei Neptuns Rössern, das ist doch die Höhe! Ich will endlich wissen, was der eigentliche Zweck Eurer Reise ist?« Kapitän Leosthenes sah mit seinem hochroten Kopf so aus, als wolle er den Philosophen in Stücke reißen. Die beiden standen beim Deckhaus unter dem weiß gestrichenen Schwanenhaupt, das sich auf seinem anmutig geschwungenen Hals himmelwärts reckte.
    »Das habe ich bereits erklärt«, entgegnete Poseidonios unbeein druckt. Er trug eine bis zu den Knöcheln herabreichende weiße Toga, die ihn noch würdevoller erscheinen ließ, als er mit seinem schlohweißen Bart ohnehin schon wirkte. »Es ist keine militärische, sondern eine rein wissenschaftliche Mission. Vielleicht interessieren sich die Römer ja gar nicht meinetwegen für Euer Schiff. Seid Ihr womöglich ein Schmuggler?«
    »Ha!«, bellte Leosthenes. Er war ein vollbärtiger, stämmiger Mann mit niedrigem Schwerpunkt, besaß also für die Seefahrt ideale Körperproportionen. Aufgeregt deutete sein knubbliger Zeigefinger zu dem nahenden Kriegsschiff, dessen Rahsegel sich bedrohlich blähte. »Ich habe Amphoren mit Wein und Olivenöl geladen. Wenn Rom wegen mir seine Kriegsmarine mobilisiert, dann allenfalls zu meinem Schutz.«
    »Vielleicht hat Euch jemand etwas ohne Euer Wissen ins Öl getan.«
    »Ach was! Da sind höchstens Oregano und Thymian drin. Sagt mir endlich, was die Römer von Euch wollen.«
    Poseidonios wandte sich gelangweilt von Leosthenes ab und reckte demonstrativ das Kinn vor. »Bin ich das Orakel von Delphi?«
    »Dann drehe ich jetzt bei«, drohte der Kapitän.
    »Das werdet Ihr schön bleiben lassen. Wie ich Euch bereits mehrfach kundtat, kann ich mir keinerlei Verzögerungen leisten, weil ich bis heute Abend in Brundisium sein muss. Ich habe Euer marodes Schiff nicht mit einem beträchtlichen Geldbetrag saniert, damit Ihr bei der erstbesten Schwierigkeit die Segel streicht. Ihr könnt Euch im Hafen mit dem Kommandanten der Galeere auseinandersetzen.«
    »Das täte ich ja gerne. Nur werden wir

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