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Der verlorne Sohn

Der verlorne Sohn

Titel: Der verlorne Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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wäre ganz froh, wenn ich jetzt nur ein Brod hätte, und auf die Fische verzichte ich von vornherein. Haben Sie gehört, was der Doctor verlangte?«
    »Ja.«
    »Milch, Bouillon, Fleischextract, Knochen, Medizin! Wissen Sie, wieviel Geld ich habe?«
    »Wohl keins!«
    »Keinen Kreuzer! Alles fehlt, Alles? Holz, Kohlen, Licht! Und doch brauche ich das Letztere, um nächste Nacht arbeiten zu können. Ich habe drei Tage lang nichts genossen, als den ausgekochten Kaffeesatz, den ich mir in der Schänke heimlich von der Frau gebettelt habe. Und Sie –«
    »O,« unterbrach sie ihn. »Mich hungert nicht!«
    »Ja! Sie scheinen gar keinen Magen mehr zu haben. Sie werden geradezu vom Hungern satt. Aber den Frost können Sie doch nicht verbergen. Wenn der Magen schreit und brüllt, das braucht man nicht zu verrathen; wenn aber die Kälte die Glieder schüttelt, das kann man nicht verbergen.«
    »Es ist nicht so schlimm, mein Sohn. Dieser alte Rock ist noch ganz hübsch warm. Flanell ist ja Wolle. Aber mir ist nur um die Kranken. Nahrung und Feuerung Ist ihnen nothwendig, wenn sie gerettet werden sollen.«
    »Woher nehmen und nicht stehlen?«
    »Wollen Sie es denn nicht noch einmal mit Seidelmann versuchen?«
    »Der giebt Nichts.«
    »Warum sollte er Sie heute fortweisen, da Sie doch morgen Arbeit liefern?«
    »Ich kenne ihn!«
    »So machen Sie ihn auf seine Kasse aufmerksam.«
    »Welche Kasse?«
    »Die Kasse der Brüder und Schwestern der Seligkeit.«
    Es war ihm trotz seines Elendes, als ob er laut auflachen müsse. Er schüttelte den Kopf und sagte:
    »Ich war am Sonntag nicht in der Schänke, als der fromme Schuster seinen Vortrag hielt.«
    »Aber ich. Es ist gesammelt worden.«
    »Ich habe davon gehört. Bei der hiesigen Armethei wird aber auch viel zusammengekommen sein.«
    »O, es hat ein Jeder gegeben!«
    »Ein Jeder?«
    »Ja. Es hat sich wohl kein Mensch ausgeschlossen.«
    »Ah! Auch Sie wohl nicht?«
    Die alte, brave Frau erröthete, als ob sie bei einem recht schlechten Streich ertappt worden sei. Sie antwortete zögernd: »Konnte ich anders?«
    »Ich denke, Sie haben kein Geld?«
    »O, ich habe in meinem Bette, als Sie dachten, daß ich schliefe, für die Frau Lehrerin ein Paar Strümpfe gestrickt. Das kann man auch ohne Licht fertig bringen.«
    Jetzt zog über sein leidendes Gesicht sich eine leichte Röthe.
    »Ja, ja, so ist es!« sagte er. »Statt im Bette, was aber überhaupt kein Bett, sondern nur ein Lumpenhaufen zu nennen ist, auszuruhen und sich einigermaßen zu erwärmen, opfern Sie Ihre kurz zugemessene Ruhe und Ihre Gesundheit! Wieviel haben Sie denn erhalten?«
    »Dreißig Kreuzer.«
    »Gut! Das ist Ihr Verdienst, und ich habe also gar nichts darnach zu fragen. Aber wissen möchte ich doch gern, was Sie mit dem Gelde gemacht haben.«
    »Das möchte ich doch lieber nicht sagen.«
    »Wenn ich Sie nun recht herzlich bitte?«
    »Na,« lächelte sie, »einer solchen Bitte kann man doch wohl nicht widerstehen. Sie erinnern sich, daß ich droben im Commodenkasten, ganz hinten unter alten Sachen, ein Paar Cigarren gefunden habe?«
    »Ja. Es waren sieben Stück. Ich muß sie früher, in glücklicheren Zeiten, als ich noch Cigarren zu sehen bekam, einmal hineingelegt und dann vergessen haben.«
    »O, so Etwas vergißt ein Mann wohl nicht! Sie hatten kurz vorher einmal gesagt, daß Sie sich ganz glücklich fühlen würden, wenn Sie wieder einmal eine Cigarre schmecken würden.«
    »Ja, ich erinnere mich. Ich ließ mich einmal gehen, und da fuhren mir die dummen Worte heraus.«
    »Nun, da ließ auch ich mich gehen, nämlich zu der Lehrerin. Ich fragte sie, ob sie nicht eine kleine Arbeit für mich habe, und da gab sie mir das Strickgarn und borgte mir die Nadeln, denn wir haben keine mehr. Da habe ich des Nachts gestrickt und dreißig Kreuzer erhalten.«
    »Herrgott! Jetzt ahne ich! Was haben Sie mit dem Gelde gemacht?«
    »Ich habe Cigarren gekauft, nur von der billigsten Sorte, vier Kreuzer das Stück. Sie sind jetzt so theuer. Da bekam ich sieben Stück.«
    »Und dann sagten Sie, Sie hätten sie gefunden?«
    »Ja.«
    Ihr Auge glänzte. Sie hatte gehungert und gekummert. Und sie hatte Nächte geopfert, um ihrem Schwiegersohne einen unbesonnen ausgesprochenen Wunsch zu erfüllen. Es überkam ihn eine tiefe, tiefe Rührung. Er mußte sich abwenden, um eine Thräne zu verbergen. Dann aber drehte er sich ihr rasch wieder zu, zog sie an sich und gab ihr einen Kuß.
    »Mutter,« sagte er. »Wahrhaftig, Sie sind nicht

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