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Der verlorne Sohn

Der verlorne Sohn

Titel: Der verlorne Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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unserem Theaterhimmel festhalten zu dürfen.
    Wir sind überzeugt, daß unsere Gegner hiermit eine Lehre erhalten haben, welche ihnen ebenso nöthig wie unvergeßlich sein wird. Man kann leicht Rath sein, ohne Rath zu wissen, und nicht jeder sogenannte Leiter eines sogenannten Regierungsblattes hat das Zeug, seine Commissionen richtig auszuführen.«
     
    Holm legte die Zeitung von sich und schüttelte den Kopf.
    »Nun, was sagen Sie dazu?« fragte der Commissionsrath.
    »Daß ich diese Leute für frivol, für gewissenlos, nie aber für so dumm gehalten habe.«
    »Dumm? Können Sie ihnen nachweisen, daß sie dies sind?«
    »Ja.«
    »Oeffentlich?«
    »Gewiß.«
    »Das ist höchst wünschenswerth. Wer ist der Verfasser?«
    »Der Chefredacteur. Ich kenne seinen Styl.«
    »Was sagen Sie besonders zu dem letzten Passus?«
    »Daß er ebenso unverschämt wie deutlich ist.«
    »Natürlich bin ich gemeint.«
    »Diese Ueberzeugung liegt nahe.«
    »Donnerwetter! Ein Rath, der keinen Rath weiß!«
    »Wollen Sie sich ärgern?«
    »Fast möchte ich! Gerade in diesem Augenblicke kommt es mir vor, als ob dieser Mensch recht habe. Ich weiß nämlich im Moment wirklich nicht, wie ich ihn am Allerbesten fassen, greifen und züchtigen soll.«
    »Ich bitte, das mir zu überlassen.«
    »Haben Sie denn einen Gedanken?«
    »Eine ganze Reihe von Gedanken!«
    »Herrlich! Lassen Sie hören!«
    »Ich bitte um Geduld!«
    »Geduld? Morgen muß aber in unserer Nummer dieser pöbelhafte Angriff auf das Energischeste zurückgewiesen werden. Und jetzt sprechen Sie noch von Geduld!«
    »O, ich werde ihn nicht nur zurückweisen, sondern ich werde diese Jungens züchtigen, wie man eben nur Jungens züchtigt.«
    »Sie schaffen also einen Aufsatz herbei?«
    »Ja.«
    »Ist er bereits stylisirt?«
    »Nein.«
    »Sapperlot, so beeilen Sie sich.«
    »Am Liebsten würde ich die Zeilen gleich jetzt und hier bei Ihnen schreiben.«
    »Das ist das mir Allerangenehmste. Dort ist der Schreibtisch. Setzen Sie sich.«
    »Schön! Vorher aber erst eine nothwendige Frage! Ich will ehrlich und offen sein. Man greift uns aus dem Verstecke an; ich aber öffne mein Visier. Darf ich?«
    »Ja. Thun Sie das.«
    »Schön! So kann es beginnen.«
    Er nahm an dem Tische Platz, legte sich einen Bogen Papier zurecht, und dann glitt seine Feder mit leisem, raschem Knistern über das weiße Blatt.
    Der Commissionsrath befand sich in einer leicht erklärlichen Aufregung.
    Er war noch nie auf eine so infame Weise angegriffen worden und brannte nun von Begierde, Holm’s Eingabe zu lesen. Darum ging er unruhig im Zimmer auf und ab und verfolgte dabei mit seinen Blicken die gewandte Hand des früheren Reporters.
    Da endlich legte dieser die Feder weg, stand auf und hielt dem Rathe den Bogen entgegen.
    »Fertig!« sagte er. »Es sollte mich freuen, wenn diese Zeilen Ihre Zustimmung fänden, da sie ja die ersten sind, welche ich für Sie verfasse.«
    »Wollen sehen.«
    Der Rath machte ein höchst erwartungsvolles Gesicht, trat an das Fenster und begann zu lesen. Bereits nach den ersten Zeilen unterbrach er die Lectüre, wendete den Kopf zurück und sagte: »Brav so! Sie sagen gleich, wo Sie sind und was Sie wollen. Das ist ehrlich und mannhaft.«
    Er las weiter. Seine Brauen stiegen höher und höher; sein Gesicht zeigte eine von Secunde zu Secunde wachsende Spannung; er stellte sich von einem Beine auf das andere; er begann, unruhig und immer unruhiger zu werden, stieß die seltsamsten Ausrufe aus und drehte sich endlich, als er zu Ende war, mit einem raschen, energischen Rucke wieder zu Holm herum.
    »Mensch! Mann! Holm! Doctor! Sind Sie verrückt?«
    Der Gefragte stieß ein kurzes aber herzlich klingendes Lachen aus und antwortete:
    »Diese Frage läßt mich vermuthen, daß mein Aufsatz Ihren Beifall leider nicht findet.«
    »Beifall? Wie kann ich solchen Phantasieen meinen Beifall geben?«
    »Phantasieen? Es sind Wirklichkeiten!«
    »Unmöglich!«
    »Ich kann Wort für Wort beweisen!«
    »Das wäre! Es ist ja gar nicht menschenmöglich, daß die Punkte, welche Sie hier aufzählen, auf Wahrheit beruhen können! So Etwas kommt ja gar nicht vor!«
    »Ich wiederhole, daß ich bereit bin, Ihnen die untrüglichsten Beweise zu bringen.«
    »Wenn es Ihnen ja gelingen sollte, mich an die Wahrheit dieser Behauptung glauben zu lassen, so enthielte allerdings ein jedes Ihrer Worte einen Keulenschlag für unsere Gegner. Ihre Erstlingsarbeit wäre ein Meisterstück; trotz der kurzen Zeit, die Sie

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