Der verlorne Sohn
machen, im Tacte zu bleiben. Ich fordere ihn also wegen einer Fälschung der Partitur vor das Forum der Oeffentlichkeit?«
»Woher wissen Sie das?«
»Ich hörte es während der Vorstellung. Ich bin Musiker. Heute früh begab ich mich zu einem mir bekannten Mitgliede der Capelle, dessen gefälschte Violinstimme zu erlangen ich so glücklich war.«
»Das ist recht! Bisher erfolgte Schlag auf Schlag! Was aber nun kommt, das ist nicht glaubhaft.«
»Ich beweise es.«
»Daß die Leda gefangen ist?«
»Ja.«
»Als Kindesmörderin?«
»Ja.«
»Und als Diebin?«
»Sie hat fünftausend Gulden gestohlen, welche vor einigen Jahren Herrn Baron von Scharfenberg abhanden kamen.«
»Wie wollen Sie das beweisen?«
»Sie sitzt mit ihrer Mutter im Bezirksgericht.«
»Alle Teufel!«
»Aber dann soll der Intendant ein braves Mädchen seinem Bruder, dem Circusdirector, zu unzüchtigen Zwecken in die Hände gespielt haben?«
»Es ist die Tochter des Theaterdieners Werner, welche gezwungen werden sollte, als Tau-ma aufzutreten.«
»Und dabei ist man in genau so schamloser Weise verfahren, wie Sie es andeuten?«
»Ja. Der Circusdirector ist mit sämmtlichem Personal arretirt worden. Ich war in Rollenburg und habe das arme Mädchen hierher begleitet. Ihre Schwester hat volle vier Jahre lang unschuldig im Zuchthause gesessen, weil die Leda den Kindesmord auf sie geschoben hat.«
»Und das können Sie beweisen, wirklich beweisen?«
»Ja.«
»Beleidige ich Sie, wenn ich bemerke, daß ich mich denn doch erkundigen möchte, bevor ich diesen Aufsatz in unseren Spalten erscheinen lasse?«
»Ich spreche Ihnen gerne das Recht zu, vorsichtig zu sein.«
»Schön! Aber bei wem soll ich mich erkundigen?«
»Bei einem Herrn, dessen Versicherung Sie sofort festen Glauben schenken werden.«
»Wer ist das?«
»Der Fürst von Befour.«
»Sapperment! Weiß der von diesen Angelegenheiten?«
»Wenigstens ebenso viel wie ich. Er war ja mit in Rollenburg, um die unschuldig Gefangene zu befreien.«
»Aber, wird er mich empfangen?«
»Gern. Ich begleite Sie. Er wird Ihnen auch bestätigen, was ich weiter schreibe, nämlich, daß Miß Ellen Starton von Seiten der Majestäten aufgefordert wird, die ›Königin der Nacht‹ auf der Hofbühne zu geben. Das ist eine Satisfaction, wie sie gar nicht besser gewünscht werden kann.«
»Ist das eigene Initiative der höchsten Herrschaften?«
»Der Fürst von Befour hat die Veranlassung gegeben.«
»Ah, da muß ich wirklich zu ihm. Wann ist er zu sprechen?«
»Ich vermuthe, daß er jetzt daheim sein wird.«
»Wollen wir gehen?«
»Ja.«
»Dann gut! Ich sage noch einmal, daß Sie mir diese Vorsicht nicht übel nehmen dürfen. Es handelt sich hierbei ja um so viel, daß jede kleinste Nachlässigkeit gar nicht verantwortet werden könnte.« – –Um dieselbe Zeit saß der Lieutenant Bruno von Scharfenberg, finster vor sich hinbrütend, am Fenster und warf häufige, forschende Blicke auf die Straße hinab. Er schien mit großer Ungeduld irgend Etwas oder irgend Wen zu erwarten. Da endlich heiterte sich sein Blick momentan ein Wenig auf. Er begann, in der Richtung nach der Thüre zu lauschen. Schritte ließen sich vernehmen, und es trat ein junger, sehr elegant gekleideter, aber trotz seiner Jugend doch schon ziemlich abgelebt aussehender Herr ein.
»Nun?« fragte Scharfenberg erwartungsvoll.
»Nichts!«
»Alle Teufel!«
»Nichts und wieder nichts!«
»Selbst bei fünfzehn Procent nicht?«
»Nein. Man scheint eben Deine Verhältnisse für außerordentlich derangirt zu halten.«
»Unsinn! Wer kennt meine Verhältnisse?«
»Jedermann, wenigstens jeder Geldmann!«
»Ich habe bisher nur bei zwei oder drei Juden geborgt.«
»Aber diese Wucherer stehen in enger Verbindung unter einander und gewähren einander Einsicht in ihre Bücher.«
»Verdammt! Wenn ich nur so viel hätte, um heute Abend eine Bank legen zu können!«
»Und ich so viel, um pointiren zu können. Ich war so froh, als Du mir hundert Gulden für das Auffinden eines bereitwilligen Darleihers botest, finde aber leider keinen Menschen, der es thun will.«
»Der Teufel hole alle diese Mammonsdiener! Früher riskirten sie Etwas; jetzt aber wenden sie sogar den einzelnen Kreuzer zehnmal um, ehe sie ihn ausgeben!«
»Hm! Ein Mittel wüßte ich noch.«
»Wirklich? Welches denn?«
»Siehe in die Blätter! Wie oft wird Geld ausgeboten!«
»Das nennst Du noch ein Mittel?«
»Man könnte es wenigstens versuchen.«
Der
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