Der verlorne Sohn
fürchterlichen Schuld bewußt ist, und gerade die Zeugen, deren Aussagen für ihn verderblich wurden, machten auf mich einen Eindruck, den ich keinen guten nennen kann.«
»Wer waren die Zeugen?«
»Die Hauptzeugen waren der Baron Franz von Helfenstein und eben jene Zofe Ella, welche später die Frau des Ersteren wurde. Dieser Umstand hat mir immer viel zu denken gegeben.«
»Wieso?«
»Es hatte fast den Anschein, als habe er sie nur aus erzwungener Dankbarkeit geheirathet. Uebrigens stand die Sache so, daß – – na, das würde denn doch vielleicht zu kühn gesagt sein.«
»O bitte, sprechen Sie weiter! Wir sind ja allein.«
»Gut! Brandt klagte nämlich den Baron des Mordes an, dessen er überführt wurde. Beide waren gegeneinander, und später wurde es mir völlig klar, daß Derjenige von ihnen, auf den die Anklage zuerst fiel, auch schuldig sein mußte. Uebrigens schienen gegen Brandt die Umstände sich geradezu verschworen zu haben. Ich muß wirklich seinen Vater einmal aufsuchen, um einen jetzt unbeeinflußten Blick in die Vergangenheit zu thun.«
»Hm! Es müßte Ihnen unlieb sein, zu erfahren, daß Brandt unschuldig gewesen ist!«
»Warum das?«
»Weil Sie auch zu seinen Richtern gehörten.«
»Ja, Sie haben Recht. Doch kann ich mich beruhigen. Wir haben die Schuldfrage gestellt und sie wurde mit Ja beantwortet. Ich hatte nur das Protokoll zu führen, bin also eigentlich am Richteramte selbst nicht betheiligt gewesen. Ich möchte wissen, ob er noch lebt.«
»Vielleicht.«
»Ah! Haben Sie ein begründete Vermuthung?«
»Vermuthung? Nein. Er war nicht alt; zwanzig Jahre sind unterdessen vergangen; da kann er noch recht gut leben. Erinnern Sie sich nicht einer anderen Zeugin, deren Aussage eigentlich für ihn am Verderblichsten wurde?«
»Sie meinen die Baronesse Alma von Helfenstein?«
»Ja.«
»Sehr gut erinnere ich mich ihrer. Sie zeugte gegen ihn, obgleich ihr darob das Herz brechen wollte. Sie bringen mich da auf einen Gedanken. Könnte ich mit ihr sprechen, so wäre es vielleicht möglich, einen Punkt zu finden, auf welchem Fuß zu fassen ist.«
»Warum sollen Sie nicht mit ihr sprechen können?«
»Ich habe mir sagen lassen, daß sie sehr eingezogen lebt und fast unnahbar ist. Sie tragt noch heute das Trauerkleid, welches sie damals angelegt hat.«
»Soll ich vielleicht Ihre Bekanntschaft vermitteln?«
»Durchlaucht kennen die Baronesse?«
»Ja.«
»Dann gestehe ich, daß es mir außerordentlich lieb sein würde, ihr vorgestellt zu werden.«
»Wann, Herr Gerichtsrath?«
»Nun, baldigst.«
»Vielleicht heute schon?«
»Das würde sich doch wohl nicht leicht machen lassen.«
»Sehr leicht sogar. Wollen Sie die Güte haben, mich am Abende, vielleicht acht Uhr, zu besuchen?«
»Sie haben die Absicht, mich zur Baronesse zu führen?«
»Nein. Diese Dame wird bei mir speisen.«
»Schön, sehr schön. Ich nehme Ihre Einladung mit herzlicher Dankbarkeit an. Darf ich mich vielleicht erkundigen, ob noch andere Herrschaften anwesend sein werden?«
»Ja. Nämlich erstens der Arzt, von dem wir vorhin sprachen.«
»Von dem Sie sagen, daß er die Baronin von Helfenstein geraubt habe?«
»Natürlich!«
»Wollen Sie mich, den Gerichtsrath, mit einem Manne zusammenbringen, welcher in dieser Weise gegen einen hervorragenden Paragraphen des Strafgesetzes gesündigt hat!«
»Keine Sorge! Ich weiß, was ich thue. Ich will Ihnen zu Ihrer Beruhigung gestehen, daß er nur mitschuldig ist. Der eigentliche Thäter aber bin – – ich.«
Der Gerichtsrath fuhr, fast erschrocken, zurück.
»Sie? Sie?« fragte er.
»Ja. Meine Gründe werden Sie heute Abend erfahren. Also weiter. Sie werden ferner außer der Baronesse bei mir finden die Eltern Brandt’s und den Herrn Assessor von Schubert.«
»Auch der ist geladen!«
»Noch nicht. Aber ich bitte, ihn zu benachrichtigen, daß ich mich freuen würde, ihn mit Ihnen kommen zu sehen. Er soll nämlich mit Ihnen einen großen Verbrecher entdecken.«
»Welchen Verbrecher?«
»Den Mörder des Barons Otto von Helfenstein und des Hauptmanns von Hellenbach.«
Der Gerichtsrath fuhr abermals vor Ueberraschung zurück, so daß er jetzt an die Wand stieß.
»Sie sagen ja Unglaubliches!« stieß er hervor.
»Ich rede nur die Wahrheit.«
»Aber diese Wahrheit grenzt an das Wunderbare!«
»Bleibt aber trotzdem Wirklichkeit!«
»Wen soll ich denn da Alles entdecken!«
»Alle, die ich genannt habe.«
»Also den Pascherkönig, den Hauptmann, den Thäter
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