Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der verlorne Sohn

Der verlorne Sohn

Titel: Der verlorne Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
demselben beschäftigen darf.«
    »Aber Fräulein Alma ist doch auch eine Dame!«
    »Das Thema steht in inniger Beziehung zu ihrer Person.«
    »Vielleicht auch zu meiner Person, da Sie mich einladen?«
    »Ja.«
    »Schön, schön! Darf ich denn nicht wenigstens um eine kleine Andeutung bitten, wie dieses Thema lautet?«
    »Ja. Dieses Thema lautet: Ihr Bruder.«
    Der Oberst sprang auf und fragte ganz erstaunt:
    »Mein Bruder?«
    »Ja.«
    »Der ist doch todt!«
    »Allerdings. Gerade mit seinem Tode wollen wir uns beschäftigen.«
    »Durchlaucht! Was sagen Sie? Was wissen Sie von ihm?«
    »Sie werden es heute Abend hören.«
    »Wissen Sie vielleicht – oh, Verzeihung, Fräulein Alma! Ich weiß ganz wohl, wie außerordentlich peinlich Ihnen diese Sache ist, aber Durchlaucht haben sie erwähnt und so ist das Unglück einmal geschehen!«
    Auch Alma hatte eine Bewegung des Erstaunens nicht zu unterdrücken vermocht. Ihr schönes, engelgleiches Angesicht war um einen Ton bleicher geworden, aber ihre Stimme klang ruhig, als sie jetzt antwortete: »Es ist wahr, daß ich von jenen Tagen nicht gern sprechen höre, aber Durchlaucht haben ein-für allemal Erlaubniß, mich an jene Ereignisse zu erinnern.«
    »Ach so! Das ist mir neu. Durchlaucht interessiren sich also für jene unglücklichen Geschehnisse?«
    »Ja,« antwortete der Fürst. »Ich will Ihnen aufrichtig gestehen, daß ich Brandt für unschuldig halte –«
    »Sapperment!« fiel der Oberst ein.
    »Und daß ich mir Mühe gegeben habe, etwas mehr Licht in diese dunkle Angelegenheit zu bringen.«
    »Ist Ihnen das gelungen?«
    »Ich denke, daß der heutige Abend wenigstens einen kleinen Erfolg bringen werde. Ich habe nämlich Einladungen ergehen lassen und Sie werden alle diejenigen Herren bei mir finden, welche damals Brandt verurtheilten, natürlich diejenigen ausgenommen, welche unterdessen gestorben sind.«
    »Mein Gott!« sagte Alma. »Welche Veranstaltung! Ich ersehe daraus, daß wir Wichtiges erfahren werden!«
    »Gewiß, gnädige Comtesse. Sie werden Wichtiges erfahren und auch Unerwartetes sehen.«
    Da fuhr sie rasch empor:
    »Mein Heiland! Doch nicht etwa ihn, ihn, ihn!«
    Er wußte, wen sie meinte. Er bat:
    »Bitte, Fräulein, fassen Sie sich! Sie werden eine Dame sehen, welche Sie auf keinen Fall bei mir erwarten. Das ist es, was ich meine. Wollen wir aufbrechen?«
    »Ja, ja!« rief der Oberst. »Ich will nur vorher ein wenig Toilette machen!«
    Er eilte fort. Alma trat zu dem Fürsten und fragte:
    »Durchlaucht, werde ich stark genug sein?«
    »Ich hoffe es.«
    »O, ich habe immer geglaubt, daß meine Kräfte jeder neuen Kunde gewachsen seien, und nun Sie mir sagen, daß ich Wichtiges erfahren werde, fühle ich mich schwach.«
    »So will ich Ihnen vorher mittheilen, daß das, was Sie erfahren werden, nichts Schlimmes ist.«
    »O, ich danke! Haben Sie vielleicht Nachricht von – ihm?«
    »Ja.«
    »Schreibt er von mir? Denkt er an mich?«
    »Er hat sein lebensgroßes Portrait anfertigen lassen und sendet es mir, es Ihnen zu zeigen. Ich soll fragen, ob es vielleicht einen Platz in Ihrer Wohnung finden darf.«

»Gern, ach, zu gern. Darf ich seinen Brief sehen?«
    »Ja. Ich werde Ihnen denselben dann zeigen.«
    Bald kehrte der Oberst zurück und nun fuhren sie in einer Schlittendroschke nach dem Palaste des Fürsten. Als sie dort eintraten, ließ der Oberst seine Augen fleißig umherschweifen. Alma aber hatte kaum einen Blick für den Glanz und den Reichthum, der hier zu sehen war. Sie hatte nur den einen Gedanken – an den Geliebten.
    Es war noch keiner der Eingeladenen angekommen. Der Fürst führte die Beiden in ein Salonzimmer, wohin er auch Doctor Zander kommen ließ, welchen er der Baronesse und dem Obersten vorstellte. Dann fragte er den Arzt: »Haben Sie Alles so gefunden, wie ich es Ihnen während der Fahrt im Coupee sagte?«
    »Ganz so.«
    »Die Patientin?«
    »Nach Wunsch.«
    »Den Schlüssel zur Arznei und das Fläschchen selbst?«
    »Ich habe das letztere bereits in Anwendung gebracht.«
    »Wann wird sie erwachen?«
    »In zwei Stunden, wenn die Wirkung nämlich diejenige ist, welche Sie mir angegeben haben.«
    »Sie ist so. Beobachten Sie die Sache jetzt noch als Geheimniß und sagen Sie auch keinem der Geladenen, der vielleicht während meiner kurzen Abwesenheit kommen sollte, weshalb er geladen ist. Ich lasse Sie jetzt auf eine Viertelstunde zu Zweien und bitte um die Erlaubniß, mich für diese Zeit unserer Dame widmen zu dürfen.«
    Er gab Alma

Weitere Kostenlose Bücher