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Der Wanderchirurg

Der Wanderchirurg

Titel: Der Wanderchirurg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Serno Wolf
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darfst du raten, wen ich meine. Und dieser mutige junge Mann hat jetzt auf einmal die Hosen voll, weil er allein mit einem Mädchen im Wagen schlafen soll? Meiner Treu, ihr jungen Leute habt vielleicht Sorgen!«
    »Dann gehe ich am besten, entschuldigt die Störung.«
    Vitus wandte sich ab.
    Arturo lachte. »Nun sei nicht gleich beleidigt, es war ja nicht so gemeint. Bleib, und hör mir zu.«
    »Na gut, schieß los.«
    »Im Grunde genommen bin ich froh, dass du bei Tirzah im Wagen wohnst, Vitus«, begann Arturo, »und das aus mehreren Gründen: Erstens möchte ich aus Sicherheitserwägungen, dass in jedem Wagen mindestens ein Mann schläft, besonders, wenn wir in der Nähe von Ortschaften gastieren; zweitens mag Tirzah dich, was ja nicht das Schlechteste ist, wenn man einen Gesprächspartner braucht; und drittens gibt es da noch unseren Doctorus Bombastus Sanussus, der ein Auge auf sie geworfen hat. Du musst wissen, dass Tirzah ihm bei seinen Auftritten assistiert - was sie im Übrigen sehr konzentriert macht. Vielleicht hat sie deshalb noch gar nicht gemerkt, dass der Doctorus ihr oftmals nicht ganz zufällig die Hand auf den Po legt. Er lobt sie zwar gleichzeitig in den höchsten Tönen, aber ich denke, man kann seine Anerkennung auch ohne Tatschereien ausdrücken.«
    »Wenn das so ist, teile ich natürlich den Wagen mit ihr.«
    »Glaub mir, so ist es. Ich wünsche dir eine gute erste Nacht bei den Artistas unicos«
    »Gute Nacht«, schloss Anacondus sich an, der sein Buch wieder aufgeschlagen hatte.
    »Gute Nacht.« Vitus öffnete die Tür und stieg aus dem Wagen. »Ach, da wäre noch etwas, Arturo.«
    »Ja, mein Freund?«
    »Ich möchte, dass du mir das Fechten beibringst.«
    Arturo stutzte für eine Sekunde. Dann ging ein Lächeln über sein Gesicht. »Aber gern! Wie wär's gleich morgen mit der ersten Lektion?«

DUMM! DUMM! Hasenscharte Fratze! Gago, ja der hatse! Hasenscharte schief und krumm macht den Gago dreimal dumm: DUMM! DUMM! DU...«
    »Ruhe!«, schrie Vitus. »Ihr haltet augenblicklich den Mund, oder ich verpasse euch ein paar Maulschellen, die ihr euer Lebtag nicht vergesst!«
    Die Kinder schwiegen erschreckt und steckten die Köpfe zusammen. Vitus ging drohend auf sie zu. Schleunigst machten sie sich aus dem Staub, begannen aber aus sicherer Entfernung erneut, den Spottvers zu singen.
    »Mach dir nichts draus«, sagte Vitus tröstend zu Gago, »die Kinder sind selbst dumm.« Über die Wangen des kleinen Stotterers liefen Tränen.
    »Keiner von den Schreihälsen hätte den Kampf gegen den Fisch gewonnen, aber du hast's geschafft!« Gago schluchzte.
    »Komm, wir gehen nach Hause.« Vitus hoffte, dass Ana den Kleinen trösten konnte.
    Doch auch die Mutter vermochte ihren Jüngsten nicht aufzumuntern. Ebenso wenig wie Orantes und die Zwillinge, als diese später zurückkehrten. Gago saß den ganzen Abend in einer Ecke und war nicht ansprechbar. Nicht einmal von seinen für das Abendessen köstlich zubereiteten Fischen wollte er probieren.
    »Ich weiß nicht, was mit dem Kind werden soll«, seufzte Ana schließlich verzweifelt, »so geht es nicht weiter.« Sie nahm Orantes beim Arm und zog ihn aus dem Raum. Sie schien etwas besprechen zu wollen, das nicht für alle Ohren bestimmt war. Kurz darauf waren beide zurück. Orantes steuerte auf Vitus zu, der mit dem Magister und den Zwillingen am Tisch saß und Karten spielte.
    »Vitus, auf ein Wort! Und auch du, Magister, wenn du einen Augenblick Zeit hättest ...«
    »Aber gern.« Der kleine Gelehrte warf die Karten hin.
    »Ich hatte sowieso ein schlechtes Blatt.«
    »Die Sache ist die«, begann Orantes, nachdem sie vor die Tür getreten waren, »dass Ana und ich uns große Sorgen um Gago machen. Und das nicht erst seit heute. Der Kleine ist kaum noch ansprechbar. Früher summte er häufig ein Lied, lachte viel und spielte mit den Sachen, die er von den Größeren geerbt hat, aber in den letzten Wochen verkriecht er sich immer mehr.«
    »Dabei ist er ein richtig aufgeweckter Kerl«, sagte Vitus. »Furchtbar, mit ansehen zu müssen, wie so ein kleiner Mensch leidet!« Der Magister fuhr sich ratlos über seine blonde Perücke.
    »Die Kinder haben ihn heute nicht zum ersten Mal gehänselt«, fuhr Orantes fort. »Der Spott macht alles nur noch schlimmer. Der Kleine ist jetzt fünf Jahre alt, aber sprechen tat er schon mit eineinhalb - nicht nur »Mama« oder »Papa« wie die anderen meiner Rasselbande, sondern richtige kleine Sätze, zum Beispiel »Gago hat

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