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Der Wanderchirurg

Der Wanderchirurg

Titel: Der Wanderchirurg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Serno Wolf
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Mama lieb« und dergleichen.« Ein Lächeln huschte bei der Erinnerung über Orantes' Züge. »Von Stottern war damals nichts zu merken. Ana und ich waren ziemlich stolz auf ihn, wir dachten, seine Intelligenz wäre so etwas wie ein Ausgleich für die Hasenscharte, die der Allmächtige dem Kind mitgegeben hatte. Aber je älter Gago wurde, desto häufiger stotterte er. Man könnte auch sagen: Je bewusster ihm wurde, dass er anders aussieht, desto unsicherer wurde er.«
    »Ich habe schon von solchen Zusammenhängen gehört«, sagte Vitus nachdenklich.
    »Ich würde meine rechte Hand geben, wenn ich ihn dadurch gesund machen könnte«, seufzte Orantes, »aber das ist natürlich Unsinn. Doch vorhin hatte Ana eine Idee, und deshalb spreche ich mit euch. Wir überlegten: Wenn der Grund für Gagos Stottern die Hasenscharte ist, müsste man versuchen, sie zu beseitigen. Und wenn das gelänge
    ...« »... würde er vielleicht wieder normal reden können. Ich beginne zu begreifen!«, rief der Magister. »Ich habe nun gehört, äh ...« Plötzlich wurde Orantes verlegen.
    »Also, ich habe gehört, nun, es soll Wundchirurgen geben, die so etwas operieren können.«
    Er blickte Vitus direkt an und gab sich einen Ruck.
    »Also, frei heraus, Vitus: Könntest du unseren Kleinen heilen?«
    »Durch eine Operation? Um Gottes willen!« Vitus war ehrlich erschrocken. »Solche Eingriffe sind sehr gefährlich, die Wahrscheinlichkeit einer Infektion ist hoch und der Ausgang mehr als ungewiss. Die Operierten sehen hinterher manchmal schlimmer aus als vorher.«
    »Bedeutet das ...?« Orantes mochte den Satz nicht zu Ende sprechen.
    »Ja, Orantes, nimm's mir nicht übel, aber die Gefahren, die sich mit einem solchen Eingriff verbinden, sind weit höher als die Aussichten auf Erfolg.« Vitus legte seine Hand tröstend auf den Arm des Landmannes.
    Orantes atmetete ein paar Mal tief durch. Die Absage musste ein schrecklicher Schlag für ihn sein. »Ich nehm's dir nicht übel, Vitus«, sagte er endlich. »Wenn du es nicht kannst, dann wird es wohl keiner können.« Langsam ging er wieder ins Haus zurück.
    Nachdem Orantes mit seiner Familie die Schlafkammern aufgesucht hatte, saßen Vitus und der Magister noch eine Weile am Tisch und starrten auf eine Schüssel mit Oliven. Schließlich sagte der kleine Gelehrte:
    »Musstest du die Operation wirklich ablehnen?« Vitus nahm eine Frucht. »Ja, ich hatte keine andere Wahl. Das Risiko ist sehr groß, und neben den Gründen, die ich genannt habe, ist da ein weiterer, einer, der letztlich für mich den Ausschlag gab.« »Und?« Der Magister blickte gespannt. »Ich habe eine solche Operation noch nie gemacht.« Die Woche darauf verging wie im Fluge. Sie hatten alle Hände voll zu tun, die schweren Halme auf dem Feld zu schneiden, sie zu binden, auf den Wagen zu laden, heimzufahren und abschließend vor der Scheune mit der Hand zu dreschen. Sie begannen im ersten Dämmerlicht und arbeiteten bis in den späten Abend hinein, immer in der Sorge, es könnte Regen aufkommen und ihre Tätigkeit unterbrechen.

    Doch sie hatten Glück. Das gute Wetter hielt an, und jeder Tag war ein Sonnentag. Vitus und der Magister hatten mittlerweile ihre »Gefängnisfarbe«, wie Orantes es nannte, verloren. Ihre Köpfe und Oberkörper waren tief gebräunt. So kam der letzte Tag dieser arbeitsamen Woche. Orantes, die Zwillinge, Vitus und der Magister hatten den ganzen Vormittag ohne Pause geschuftet, denn sie wollten mit der Arbeit fertig werden. Endlich, als die Sonne am höchsten stand, legte Orantes die Sichel aus der Hand. »Essenspause!«, verkündete er. »Ich habe einen Bärenhunger!«
    Alle ließen sich am Feldrand nieder und warteten auf Gago, der die Suppe bringen sollte. Doch eine halbe Stunde verging, ohne dass der Kleine erschien. »Wo bleibt der Junge nur?«, knurrte Orantes. Weitere zehn Minuten verstrichen. Auf der anderen Seite des abgeernteten Feldes sah Vitus ein paar Kinder, die lärmend vorbeizogen. Einige von ihnen erkannte er als diejenigen, die letzte Woche den Spottvers auf Gago gesungen hatten. Dann herrschte wieder Ruhe, nur der Wind strich singend über die Stoppeln.
    »Ich verstehe das nicht!« Aus Orantes Worten klang jetzt echte Sorge. »Er ist doch sonst so zuverlässig.«
    »Ja, seltsam.« In Vitus schoss plötzlich ein Gedanke hoch. Er sprang auf. »Ich laufe mal rasch zum Flussufer!«
    »Wieso denn, was ist denn?« Orantes erhob sich ebenfalls, der Magister tat es ihm gleich. Vitus, der schon

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