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Der Wanderchirurg

Der Wanderchirurg

Titel: Der Wanderchirurg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Serno Wolf
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ein ganzes Stück voraus war, gab keine Antwort. Die beiden Männer hetzten hinter ihm her. »Was hast du nur? So warte doch!«
    Wenige Augenblicke später erreichte Vitus das Flussufer an der Stelle, an der er mit Gago geangelt hatte. Direkt am Wasser entdeckte er das Kochgeschirr für das Mittagessen, es lag umgestürzt im halbhohen Gras.
    »Gago!«, schrie Vitus, sich umblickend. »Gago!« Er spitzte die Ohren, doch nur das Rascheln des Schilfs und das Plätschern des Flusses waren zu hören.
    »Caaagooo!« Das war der Ruf von Orantes, der unterdessen mit dem Magister herangekommen war.
    »Da!« Für den Bruchteil einer Sekunde glaubte Vitus etwas gesehen zu haben: einen kleinen Haarschopf im Wasser - Gago!
    Ohne zu zögern, sprang er in den Fluss. Er war kein guter Schwimmer, doch er legte seine ganze Kraft in die Armzüge, um den Jungen zu erreichen, bevor die Strömung ihn fortgetrieben hatte. Als er auf gleicher Höhe mit ihm war, versuchte er, die Kleidung zu packen, doch immer wieder griff er ins Leere. Seine Kräfte ließen schon nach, da spürte er endlich Stoff zwischen den Fingern. Wasser schluckend und keuchend schob er sich unter den Leib des Kindes und strebte mit ihm ans rettende Ufer.
    »Lebt er? Oh Gott, was machen wir nur?« Orantes' Stimme war heiser vor Angst, als er seinen Jungen in Empfang nahm. »Umdrehen ...«, keuchte Vitus, »... auf den Bauch.« Nur langsam kam er wieder zu Atem.
    Orantes und der Magister beeilten sich, die Anweisung zu befolgen, aber kein Lebenszeichen kam aus dem kleinen Körper. Vitus raffte sich auf. Es ging jetzt um Sekunden. Er griff dem Jungen von beiden Seiten unter die Hüfte und hob sie ruckartig an. Wieder und wieder. Beim dritten Mal schließlich ging ein Zucken durch den Jungen, ein großer Schwall Wasser schoß aus seinem Mund. Gagos Arme begannen sich zu bewegen. Vitus verstärkte seine Bemühungen. Abermals quoll ein dicker Wasserstrahl hervor. Plötzlich hustete Gago und rang keuchend nach Luft. »Alles in Ordnung, Gago?«
    »Hm-m-mja.«
    »Tut dir irgendetwas weh?«
    »N-n-hö.«
    »Gott sei gelobt und gepriesen!« Orantes' Anspannung entlud sich, er schluchzte auf und ließ seinen Tränen freien Lauf. »Mein Kleiner, mein Herzblatt, komm zu deinem Papa, das darfst du nie wieder machen, hörst du!«
    »N-n-hö.«
    »Und dir, Vitus, dir danke ich von ganzem Herzen! Ich danke dir, ich kann die Erleichterung gar nicht beschreiben, ich ...«
    »Lass nur, du hättest es genauso für mich getan.«
    »Trotzdem! Ach, ich bin ja so froh!« Orantes stellte Gago auf die Füße. »Kannst du schon wieder gehen, mein Kleiner?«
    »Hm-m-mja.«
    »Wir versuchen es mal.« Doch nach wenigen Schritten zeigte sich, dass Gago noch zu schwach war. Deshalb nahm der Landmann ihn hoch und setzte ihn sich auf die Schultern. »So ist's besser, mein Kleiner, nicht wahr? Jetzt gehen wir nach Hause zu deiner Mama, und du darfst dir dein Lieblingsessen wünschen, vorher erzählst du uns aber genau, was passiert ist, in Ordnung?«
    »Hm-m-mja.«
    Wie sich herausstellte, hatte Gago die Nachbarskinder genau an jener Stelle des Feldwegs getroffen, an der er ihnen auch schon mit Vitus begegnet war. Sie hatten ihn umringt und abermals den Spottvers gesungen. Immer und immer wieder. In seiner Not war er schließlich davongelaufen, hinunter an den Fluss, die Kinder schreiend hinter ihm her. Eines hatte ihm ein Bein gestellt, sodass er das Gleichgewicht verlor und hingefallen war. Dabei war die ganze Suppe ausgelaufen. Die Kinder hatten gelacht und weiter den Spottvers gesungen. Gago hatte sich die Ohren zugehalten, aber sie hatten so laut geschrien, dass er die Worte trotzdem hörte. Endlich waren sie weitergezogen. Gago hatte sich in Grund und Boden geschämt. Er war sich vorgekommen wie der hässlichste, überflüssigste Mensch auf Erden, und so hatte er beschlossen, seinem Leben ein Ende zu machen. Er war in den Fluss gegangen, so weit wie er konnte, dann hatte er die Luft angehalten und war untergetaucht.
    Am Abend dieses ereignisreichen Tages suchten alle früh ihr Lager auf, denn mit dem Nachlassen der Anspannung war die Müdigkeit über sie gekommen. »Ich bin nur froh, dass wir mit der Kornernte fast fertig sind«, gähnte Orantes, bevor er den Seinen in die Schlafkammer folgte, »am Montag können wir es etwas ruhiger angehen lassen.«
    »Aber was machen wir mit Gago?«, fragte der Magister. »Nach allem, was passiert ist, können wir ihm nicht zumuten, das Essen nochmals aufs Feld

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